Digitale Tools verhindern Leerfahrten und sparen Transportkosten prozentuell im zweistelligen Bereich

Ivanna Čech Aimtec
1. 12. 2022 | 7 Minuten Lesen

Die Kosten für Warentransporte gehören in den Firmen zu den höchsten Aufwandsposten, wobei die Unternehmen gleichzeitig die Auswahl der Transportunternehmen stark unterschätzen. Mit Hilfe smarter Tools lassen sich diese Kosten dabei prozentuell im zweistelligen Bereich senken. Wie das geht, erläuterte auf der TAL in Pilsen Ivan Marinec von AIM Partners.

Die Transportunternehmen selbst gehen ihre Tätigkeit diesbezüglich recht nachlässig an. „Fast 20 Prozent aller Fahrten in Europa sind reine Leerfahrten. Das sind fast 80 Mio. Tonnen überflüssige CO2-Emissionen, was vier Fünfteln sämtlicher in Tschechien erzeugter Kohlendioxidemissionen entspricht“, sagt Marinec. Auch solche Verschwendung lässt sich durch Rationalisierung des Transports deutlich einschränken.

Für manch einen mag es überraschend klingen, aber großer Spielraum für Effektivitätssteigerung im Transport besteht nach wie vor auch in der Automobilbranche, die gern ihre Fortschrittlichkeit bei Digitalisierung und Optimierung von Logistikprozessen zur Schau stellt. Der Schlüssel für Einsparungen und die Effektivierung der Logistik liegt in der Reduzierung von Leerfahrten, was auch zur Emissionsminderung beiträgt.

„Überall ist zu hören, dass es nicht ausreichend Ware in den Regalen geben wird, Material nicht rechtzeitig an die Fabriken geliefert wird, weil es zu wenige Fahrer gibt, gleichzeitig sehen wir, dass ein Fünftel der Fahrten mit leeren Autos stattfindet.“

Ivan Marinec, Managing Partner, AIM partners

Weniger Verschwendung

Es gibt verschiedene Wege, die Anzahl uneffektiver Kilometer zu verringern. Eine mögliche Lösung sind Online-Plattformen zum Teilen der Transportkapazität. Meist sind sie einfach gestrickt – als Verzeichnis von Transportangeboten, aus denen Kunden die für sie bestgeeignete auswählen können.

Wie Marinec anmerkt, sind gerade für die Automobilbranche hohe Anforderungen an die Transportunternehmen typisch. Sie müssen ein Screening bestehen und bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Daher nennt Marinec eine zweite Variante: „RFQ-Anfragen und Spot-Anforderungen lassen sich über qualifizierte bzw. ausgewählte Partner regeln, die wiederum mit einem Klick auf der digitalen Plattform kontaktiert werden.“

Die effektivste Verfahrensweise ist nach Auffassung des Managers von AIM Partners aber die Auswertung von Daten zu Transportwegen und die Ambition, optimale Routen und die optimale Transportform zu finden. „Das geht mit einem Network Design einher, der Bestimmung des besten Standorts für ein evtl. Cross-Dock zur Bündelung von Lieferungen sowie der Konzipierung der Transportrouten selbst, die wir anschließend optimieren“, erläutert Marinec. Dazu bedarf es eines Softwaretools, das diese Tätigkeit übernimmt. Eine derartige Investition zahlt sich aber eindeutig aus.

Wie geht das Network Design

Damit das Network Design geschaffen werden kann, bedarf es einer großen Menge an Transportdaten betreffend Be- und Entladeort, Menge der Paletteneinheiten, Abmessungen usw. „Noch vorher müssen wir uns aber einige wesentliche Fragen stellen: Erfassen wir Daten manuell oder aus einem ERP-System? Suchen wir nach Balance zwischen Vorratshaltungskosten und Transportkosten? Berücksichtigen wir bei der Erfassung von Transportdaten die zunehmende Komplexität der Fertigung in der Automobilbranche?“, zählt Marinec die wesentlichen Details auf, die man im Hinterkopf haben sollte, bevor man überhaupt mit der Datenerfassung beginnt.

Daten, die verarbeitet werden müssen, bevor sie in Tools für Network Design einfließen, gibt es unendlich viele. Das Tool dient dazu, eine Datenstromkarte von einzelnen Orten an Bestimmungsorte zu erstellen. Es ist in der Lage, die Optimierung dieses Stroms vorzunehmen und entwirft die optimale Transportlösung. „Ergebnis dieses Tools ist ein Verzeichnis von als ´full truck load´ bzw. FTL realisierten Routen, als ´full truck load mit Beiladung´ bzw. LTL realisierten Routen, als ´milkrun´ realisierten oder Stücklieferung realisierten Routen. Bei einer größeren Menge an Stücklieferungen überlegen wir, wo sich ein geeigneter Cross-Docking-Ort oder Verteilungszentrum, auch als Center of Gravity bekannt, befindet“, präsentiert die Möglichkeiten des Tools Marinec.

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Problem des Handlungsreisenden

Jeder in eine verzweigte Liefer-Abnehmer-Kette eingebundene Lieferant oder Transporteur kann beim Versuch der Optimierung der Transportstrecke auf das als Problem des Handlungsreisenden bekannte mathematische Phänomen stoßen. Diese Aufgabe gilt als rechnerisch unlösbar aufgrund der riesigen Menge an Möglichkeiten, die mit jedem Standort als ihre Fakultät ansteigen. Eine Route mit 3 Haltepunkten hat 6 Möglichkeiten, mit 4 Haltepunkten 24, mit 5 Haltepunkten bereits 120 und mit 16 Haltepunkten sind es 21 Billionen mögliche Routen. Ab 20 Haltepunkten gilt das Problem bereits als unlösbar, weil auch die schnellsten herkömmlichen Computer Dutzende Jahre nach der Antwort suchen würden. Marinec spricht dieses Phänomen insbesondere in Verbindung mit „milkruns“ an, d. h. kleinen Transportaufträgen, die an verschiedenen Orten auf ein großes Fahrzeug geladen werden.

Weil wir zu keiner Berechnung der wirklich optimalen Strecke bei mehreren Destinationen gelangen würden, kommen im Network Design Tools unterschiedlicher Algorithmen zur Anwendung, die eine scheinbar optimale Route vorschlagen. Marinec illustriert die Fähigkeiten der Algorithmen am Modellbeispiel einer Aufgabe mit 32 Städten in den USA, wo das Zufallsergebnis 44 000 km umfasst, während drei verschiedene Algorithmen die Strecke auf weniger als 20 000, 16 500 und 14 200 km verkürzen.

Digitale Plattformen

Durch Nutzung des Tools für Network Design erhält der Benutzer somit ein Verzeichnis von FTL-Strecken, ein Verzeichnis von „milkruns“, ein Verzeichnis von LTL-Strecken, einschließlich Preisindikation und Vorschlag für den Cross-Docking-Punkt. „Damit haben wir die Strecken und sollten uns erst jetzt auf die Online-Plattform begeben und die Ausschreibung vornehmen,“ inspiriert Marinec.

Auf digitalen Plattformen, die als SaaS-Clouddienste funktionieren, sind standardisierte Schablonen voreingestellt. „Preise können bei einer beliebigen Anzahl von Lieferanten abgefragt werden, es gibt unterschiedliche Analyseszenarien und verschiedene Möglichkeiten, wie sich das Auswahlmodell definieren lässt“, erklärt Marinec. Alles kommt ohne Telefonate und E-Mails aus, außerdem stehen unterschiedliche Sprachversionen zur Verfügung.

Die effektivste Methode der Lieferantenauswahl auf der digitalen Plattform ist die Auftragsauktion. Bei einer klassischen Auktion wird der Preis aus Befürchtung vor Verlust des Sieges nach oben getrieben, bei einer Auftragsauktion ist das ähnlich, nur, dass die gleiche Befürchtung den Preis drückt. Mit nahendem Ende der Auktion, drückt der Sieger den Preis maximal, um sich den Vertrag zu sichern“, erläutert Marinec eine weitere Verfahrensweise, um Transportkosten zu sparen.

Eine wesentliche Funktion auf der digitalen Plattform ist Spot Request, eine intuitive Anwendung, die es ermöglicht, eine Transportanforderung zu definieren, den Preis und die Verfügbarkeit von Anforderungen an einen dringenden Transport, einen unplanmäßigen Transport oder einen Transport bei nicht vertraglich verpflichteten Partnern in Erfahrung zu bringen, das alles binnen Zehntelsekunden. Die Preise sind dadurch günstiger als bei gewöhnlichen Angeboten.

Durch Kombination dieser Tools und Maßnahmen lassen sich bedeutende Mittel einsparen. Das eigentliche Network Design kann für Firmen Einsparungen bis zu 15 Prozent der Transportkosten bedeuten, die digitale Plattform zur Anfrage von Transportunternehmen mit Auftragsauktion kann bis zu 5 Prozent sparen. Zusammen mit weiteren intelligenten Optionen, wie der Auswahl eines geeigneten Fahrzeugs oder angemessener Reaktion auf die Entwicklung im Bereich der Incoterms-Vorschriften, lassen sich die Gesamtkosten für den Transport nach Aussage von Marinec bis um die Hälfte senken.

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