MES – Mehr als nur Produktion

Jan Vápeník Aimtec
3. 12. 2019 | 7 Minuten Lesen

Manufacturing-Execution-Systeme (MES) sind längst als Kernsystem im Fertigungsmanagement etabliert. Ihre wichtigsten Funktionen sind das Sammeln und Auswerten von Daten. Die Produktionsdaten, die das System erfasst, dienen dann als Grundlage für planvolle Überwachung, Auswertung und Steuerung eines Fertigungsprozesses. Diese Daten werden nicht nur vom Management genutzt. Mitarbeiter aus Wartung und Betrieb greifen ebenfalls auf sie zu. Deswegen sind MES eine Schlüsselkomponente in Enterprise-Systemen. Sie erfreuen sich im Zuge des fortschreitenden Einsatzes neuer Technologien und des Trends hin zu Verknüpfung von Logistik und Produktion immer größerer Beliebtheit.

Händisches Reporting in der Produktionshalle

In erster Linie sammelt ein MES (Manufacturing Execution System) Daten, die von Mitarbeitern erfasst werden. Das ist die einfachste Methode, um Daten aufzuzeichnen. Jeder Nutzer (jeder Mitarbeiter in der Produktion, jeder Maschinenführer) sollte Zugang zu einer Anwendung mit einfacher Bedienoberfläche haben, mit der Produktionsdaten intuitiv, schnell und ohne große Fehleranfälligkeit eingegeben werden können. Ein MES unterstützt darüber hinaus auch die Kommunikation in die entgegengesetzte Richtung. So kann es einem Maschinenführer eine Dokumentation zur Produktion oder auch Arbeitsanweisungen ausspielen, nachdem dieser sich an einer bestimmten Maschine angemeldet hat. Das MES dient außerdem dem Arbeitsschutz und der Qualitätskontrolle. Es kann beispielsweise verhindern, dass ein Mitarbeiter eine Maschine bedient, für die er nicht ausgebildet ist.

Der händische Eintrag wird überwiegend für folgende Daten genutzt:

  • Verarbeitung von Auftrag und Bestellung
  • Beginn und Ende der Arbeit
  • Defekte
  • Ausfallzeiten und ihre Ursachen
  • Einsatz von Werkzeugen

Automatische Datenerfassung

Automatische Datenerfassung ist ein weiterer Schritt zu mehr Effizienz und geringerer Fehlerquote sowie zu schnellerer Reaktion auf Ausnahmesituationen. Da es mit jeder einzelnen Maschine verbunden ist, kann ein MES Daten zu jedem hergestellten Teil erfassen, zum Beispiel über die Schlagzahl, oder im Falle von Formvervielfältigung, über die Spritzgießer. Dank Automatisierung lässt sich auch feststellen, ob ein Teil entsprechend der präzisen Produktionsanweisungen hergestellt wurde. Manche Geräte liefern sogar Daten zu den Bedingungen, unter denen ein Produkt hergestellt wurde (Druck, Temperatur, Anziehmoment, usw.). Im Notfall kann das MES außerdem das Weiterlaufen des Betriebs verhindern, bis es eine Bestätigung erhält, dass alle vorgelagerten Bedingungen erfüllt sind. Ein MES archiviert automatisch sämtliche Daten zur Nachverfolgung. Dies ist für alles Industrien wichtig, nicht nur im Bereich Automotive.


Was das MES bei der Eissmann Group Automotive alles überwacht, erfahren Sie in diesem Video.

Eissmann Group Automotive


Geballte Kraft von MES, WMS und QMS

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben bestätigt, dass Daten zum laufenden Betrieb weit über die bloße Produktionssteuerung hinausgehen. Es ist üblich, dass eine einzelne Benutzeroberflächen nicht nur für das Erheben von Produktionsdaten (Beginn und Ende des Betriebs, Ausfallzeiten usw.) zum Einsatz kommen, sondern auch in anderen Bereichen, wie der Qualitätskontrolle: wurden fehlerhafte Teile hergestellt? Wann ja, warum? Solche Informationen sind bei der Wartung des Maschinenparks äußerst hilfreich: Ist der Grund für das Qualitätsproblem eine Fehlfunktion einer Maschine? Sollte dies ein Service-Team auf den Plan rufen? Weitere interessante Einsatzbereiche sind das Überprüfen von Eingangsmaterialien sowie der Materialverbrauch (falls dies nicht automatisch über sogenanntes „Rückspülen“ geschieht) – All das in Kombination führt letztlich zum umfassenden Logistik- und Materialfluss-Management.

Die Informationssysteme produzierender Unternehmen nutzen dafür ein Layer, das direkt mit der physikalischen Welt und dem tatsächlichen Betrieb verbunden ist und mit der sie betriebliche Daten beinahe in Echtzeit erfassen können. Im Zusammenhang damit begegnet uns oft der Begriff MOM (Manufacturing Operations Management). Für die Endnutzer eines solchen Systems ist es ungefähr gleich, wie wenn sie Daten für ein WMS, MES, QMS oder ein Wartungssystem gesammelt haben. Ziel ist es, aktuelle und zuverlässige Daten über den laufenden Betrieb zur Verfügung zu haben. Diese dienen einem effizienteren Management der Produktion und der nachgelagerten Prozesse. Ziel ist außerdem, Daten zu generieren, mit denen ein Unternehmen die strengen Anforderungen seiner Kunden erfüllen kann.

Neue Herausforderungen und Möglichkeiten von Industrie 4.0

Mit technologischem Fortschritt und der Automatisierung der Produktion müssen sich auch MES und MOM auf neue Gegebenheiten einstellen. Das Verbinden einzelner Maschinen, das sogenannte Industrial Internet of Things, IIoT, ist schon relativ weit verbreitet. Die Datenerfassung läuft entweder direkt über das Steuerungssystem einer Maschine oder über den Einsatz verschiedener Sensoren. Neuartige Informationssysteme ermöglichen viel mehr Raum für automatisierte Datenerfassung sowie schnellere Datenverarbeitung. Möglich wird das dank vereinfachter Datenmodelle, moderner In-Memory-Datenbanktechnologie, besserer Integration sowie weiteren Innovationen.

Fortschrittliche Algorithmen, Machine Learning und künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten beim Einsatz von Daten. Wir sprechen hier von Predictive Maintenance Management, welches Unternehmen ermöglicht, dank Wartung zum genau richtigen Zeitpunkt Ausfallzeiten von Produktionsmaschinen zu vermeiden. Ähnliche Prinzipien lassen sich auch in der Qualitätskontrolle anwenden. Mit verlässlichen und aktuellen Daten lassen sich digitale Zwillinge jedes Lagers und jeder Produktionsstätte generieren, letztlich für den gesamten Betrieb. Dies ermöglicht eine bessere Steuerung sämtlicher Logistik- und Produktionsprozesse sowie die Simulation der Auswirkungen von Änderungen, dem Ausfall von Produktionsstraßen und anderen Ausnahmesituationen.

Eine neue SAP-Generation

Einerseits gibt es neue Technologien, die phantastische Möglichkeiten bieten. Andererseits stellt sich die Frage nach dem pragmatischen Umgang mit dem Sammeln und Auswerten von Daten, der Integration in ein MOM und den existierenden Systemen im Unternehmen. Dies gilt besonders im Hinblick auf ein SAP ERP. Wie begegnet man einem Business-Team, das immer noch mehr Anforderungen stellt und sich darüber beschwert, dass das IT-Department das größte Hindernis sei? (Ist es das wirklich?) Die meisten Unternehmen stecken in diesem ewigen Dilemma – sollen sie spezialisierte Lösungen neu kaufen oder ihre funktionierenden Bestandssysteme erweitern?

Wenn wir über das Thema Lizensierung hinwegsehen (Digital Access ist hier der Buhmann), dann besteht immer noch das Risiko, wenn verschiedene Systeme in ein Ganzes integriert werden. Damit stellen sich einige wichtige Fragen.

  • Werden die Daten in beiden Systemen konsistent sein?
  • Zu welchem Preis?
  • Welche Schwierigkeiten, Kosten und wieviel Zeit wird es in Anspruch nehmen, um Änderungen in einem System im anderen abzubilden?
  • Wie werden sich Upgrades einzelner Bereiche auf das gesamte Ökosystem auswirken?

Aus unserer Sicht bei Aimtec ist SAP ein robustes, integriertes und sehr fortschrittliches System. Darüber hinaus ergeben sich mit SAP S/4HANA viele neue Möglichkeiten für uns. Besonders verbessern sich die Geschwindigkeit und die Möglichkeiten bei der Datenverarbeitung (dank der HANA In-Memory-Datenbank). Gleichzeitig setzt SAP zunehmend auf seine eigene Offenheit und die Interoperabilität mit verschiedenen Geräten – von mobilen Endgeräten und Tablets bis zum Sammeln von Daten mit Sensoren bis hin zur direkten Verbindung mit Geräten aus Produktion und Logistik. Künstliche Intelligenz und Machine Learning zu unterstützen ist etwas, an dem kein Hersteller von Enterprise-Software mehr vorbeikommt. Daher ist SAP S/4HANA prädestiniert für die Integration in andere Technologien.

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