TAL 2023: Die Zukunft gehört den Flexiblen und Widerstandsfähigen, meint der CTO von Zebra Tom Bianculli

Sabina Eretová Aimtec
10. 11. 2023 | 5 Minuten Lesen

Bis zum Ende dieses Jahrzehnts werden die entwickelten Märkte durch eine Reihe technologischer Phänomene, wie künstliche Intelligenz und autonome Systeme, beeinflusst. Das Wichtigste wird aber die Fähigkeit sein, das richtige Gut in der richtigen Menge zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu liefern, erklärte in seinem Vortrag auf der TAL 2023 Tom Bianculli, Chief Technology Officer bei Zebra Technologies.

Diesen Gedanken führte der Technologie-Chef von Zebra weiter mit den Worten aus, dass es im Grunde genommen egal sei, ob es sich um Waren wie Autos oder Services wie Transportdienstleistungen handelt. Er lässt sich genauso auf einen Fabrikarbeiter anwenden, der dank integrierter Technologien das richtige Material und Werkzeug zur Verfügung hat, um seine Aufgaben in der vorgegebenen Zeit zu erfüllen. „Unser Markt wird von der Fähigkeit geprägt sein, Dienstleistungen und Produkte möglichst nah am Verbrauchsort zu fertigen und bereitzustellen“, erläuterte Bianculli.

Das Wort des Jahres 2023

Es handelt sich also um ein Beispiel für eine Marktstörung bzw. Beeinträchtigung der bisherigen Ordnung. Der Automobilmarkt durchläuft seine grundlegende Disruption in Gestalt des Übergangs vom Verbrennungsmotor zum elektrischen Antrieb bereits seit einigen Jahren. Damit geht auch eine große Veränderung in der Lieferkette einher. So wird die Nachfrage nach Silizium als Grundelement für die Herstellung von Halbleitern in Elektrofahrzeugen beispielsweise um das Zehnfache steigen. Es verändern sich Dynamik und Struktur der globalen Lieferketten. Wer in der Lage ist, schnell auf diese „fließende“ Nachfrage zu reagieren, wird die Nase vorn haben.

Wesentlich ist dabei nach Meinung von Bianculli nicht nur die Agilität, mit der einzelne Marktteilnehmer auf diese Herausforderungen reagieren. Wichtiger sei Widerstandskraft, also die Fähigkeit, die Nachfrage trotz unterschiedlichster äußerer oder innerer Einflüsse zu befriedigen. „Widerstandsfähigkeit ist das Wort des Jahres 2023“, fügte Bianculli in Pilsen hinzu.

Drei wichtige Herausforderungen

Marktteilnehmer werden nach Auffassung von Bianculli drei wesentliche Herausforderungen zu bewältigen haben. Die erste ist die schwindende Vorhersagbarkeit der Märkte im Allgemeinen. „Die Entwicklung geht hin zu einer Art fluider, dynamischer Kundenerwartungen“, sagte Bianculli.

Die zweite Herausforderung ist der Mangel an Arbeitskräften. Bianculli rechnet damit, dass der globalen Wirtschaft bis 2030 an die 80 Millionen Arbeitskräfte fehlen werden, während es heute 23 Millionen sind. Das wird mit enormen Kosten verbunden sein.

Das dritte Problem ist die immer schlechtere Fähigkeit, die Nachfrage vorherzusagen, wie Daten über die Lagerbestände verschiedener Unternehmen für die letzten 20 Jahre belegen, in denen sich die Lagerdauer durchschnittlich um 30 Tage verlängert hat. „Trotz fortschrittlicher Tools zur Unternehmensplanung und dergleichen rückt das Ziel, die Nachfrage zu antizipieren, weiter in die Ferne“, stellte Bianculli fest.

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Die zukünftige Gestalt der Lieferkette

Die geläufige Vorstellung, dass die Lieferkette irgendwo beginnt und irgendwo endet, ist nach Ansicht von Bianculli überholt. „Es handelt sich vielmehr um einen Zyklus, alles ist in Bewegung, alles entwickelt sich. Was statisch ist, ist nutzlos“, meint Bianculli. Auf alle genannten Herausforderungen muss angemessen reagiert werden. Das amerikanische Unternehmen Target habe beispielsweise den neuen Begriff „Flow Center“ eingeführt, der angesichts der veränderten Realität herkömmliche Lager und Distributionszentren ersetzt. „Es gibt ein Auftragsverwaltungssystem, ein Prognosesystem, das sich mit der historischen Nachfrage befasst, aber auch Daten zum aktuellen Wetter enthält oder Ereignisse in sozialen Medien verfolgt. Das alles 'fließt' durch dieses Zentrum, und wir müssen die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten so verstärken, dass sie mit diesen Erscheinungen Schritt halten“, erklärte Bianculli.

Ein grundlegender Aspekt der Funktionsweise dieses Flow Centers und zukünftiger Lieferketten gemeinhin ist die Echtzeit-Sichtbarkeit von Waren und Vermögenswerten. „Ohne diese Sichtbarkeit werden Lieferketten nicht funktionieren. Ein Produktionsplan für Tage, Wochen oder gar Stunden? Das funktioniert nicht. Wir brauchen ein sich ständig veränderndes System, in welchem die Nachfrage, unsere Lagerbestände, Menschen, Prozesse und Fahrzeuge in Echtzeit sichtbar sind. Entsprechend müssen unsere Systeme optimiert werden“, präsentierte Bianculli seine Vision.

Schon jetzt ist es demnach an der Zeit, Mitarbeiter, Arbeitsabläufe und Roboter zu vernetzen, wobei der Datenfluss-Code für alle Beteiligten verständlich sein muss.

Digital Native

Nichts davon ist mit einem Fingerschnippen umsetzbar. Eine Grundvoraussetzung besteht in der Anpassung unserer Denkweise. Bianculli ist der Meinung, dass sich eine auf „etablierten Ordnungen“ basierende Logistikarchitektur heute nicht mehr behaupten kann. Es geht vielmehr darum, die „Digital Native“-Denkweise entsprechend anzupassen und die Frage zu stellen, warum noch nicht alles, was möglich ist, digitalisiert und automatisiert wurde. Nur so kann man in der neuen, den Beinamen „On demand“ tragenden Wirtschaft erfolgreich sein. Wer das nicht schafft, wird nach Ansicht von Bianculli „geschluckt“.

Worüber hat der CTO von Zebra Technologies Tom Bianculli noch gesprochen? Sehen Sie den Mitschnitt seines Vortrags (in englischer Sprache) auf der Konferenz Trends in Automotive Logistics – TAL 2023.

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