Interview mit Jan Kratochvil: Über neue Funktionen im SAP‑System, die Migration auf SAP S/4HANA und Cloud‑Lösungen

Marie Mundilová Aimtec
5. 2. 2024 | 8 Minuten Lesen

SAP ist eines der meistgenutzten ERP-Systeme der Welt. Die Community der Benutzer dieser Lösung rüstet sich für die vom Hersteller 2015 angekündigte Umstellung – die Migration auf die neue Generation SAP S/4HANA. Wie bereiten sich Unternehmen auf den Umstieg vor, welche Neuerungen bringt er mit sich und welche Möglichkeiten eröffnen sich für Anwender? Darüber sprachen wir mit Jan Kratochvil, SAP Solutions Director bei Aimtec.

Jan, 2027 endet der Support für die jetzige SAP-Version. Was bedeutet für die Benutzer der Umstieg auf SAP S/4HANA?

Dass sie vor allem mit einer Plattform arbeiten werden, deren Entwicklung bis mindestens 2040 garantiert ist. Es handelt sich um ein schnelleres und stabileres System mit einer modernen Benutzeroberfläche. Man muss sich vor Augen führen, dass die aktuelle Version auf einer Lösung basiert, die seit 1973 eine Evolution durchlaufen hat. Wer kann sich vorstellen, wie die Industrie damals im Vergleich zu heute aussah? SAP S/4HANA ist keine neue Version, sondern ein völlig neues Produkt. Es ist darauf ausgelegt, die Transformation von Unternehmen zu unterstützen, neue Technologien zu integrieren und fortschrittliche Technologien, wie Echtzeit-Analysen, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, zu nutzen.

Eine relativ häufige Befürchtung betrifft den Verlust der kundenspezifischen Entwicklung, in die so manches Unternehmen im Laufe der Jahre viel Zeit und erhebliche finanzielle Mittel investiert hat. Ist es überhaupt realistisch, diese Änderungen in das neue System zu übertragen?

Ja, es gibt ein Tool zur Beurteilung des technischen Systemstatus, den sogenannten Readiness Check. Dieser analysiert den aktuellen Zustand des Systems und prüft die Kompatibilität seiner Einstellungen, einschließlich der Kundenmodifikationen, für den Übergang zu SAP S/4HANA. Wir empfehlen aber auch, sich Gedanken darüber zu machen, ob das aktuelle System-Setup nach Jahren der Nutzung noch der Realität des Unternehmens entspricht. Wir legen unseren Kunden nahe, den Umstieg auf SAP S/4HANA zum Anlass zu nehmen, ihre internen Prozesse und Entwicklungsvisionen zu revidieren. Darüber hinaus sollte bedacht werden, dass SAP S/4HANA einen großen technologischen Schritt nach vorn bedeutet. Was das bestehende System nicht konnte und was nachträglich programmiert wurde, bewältigt das neue System sehr wahrscheinlich bereits im Rahmen eines Standardtools. Die meisten Anpassungen können natürlich konvertiert werden. Sappy zum Beispiel, ein Add-on, das wir für unsere Kunden entwickelt haben, ermöglicht den reibungslosen Übergang zum neuen System, ohne dass spezifische Einstellungen verloren gehen. Bereits seit 2019 ist unsere Lösung vollständig mit SAP S/4HANA kompatibel.

SAP verfolgt einen „Cloud first“-Ansatz. Neue Implementierungen von Lösungen in einer anderen Variante sind dann nicht mehr möglich – was ist deine Meinung dazu?

Die meisten Technologieunternehmen gehen aufgrund der durch die Cloud-Infrastruktur eingeräumte Flexibilität und Skalierbarkeit sowie der möglichen Innovationen zu einer Cloud-first-Strategie über. Der Wechsel in die Cloud ist ein allgemeiner Trend, der seine Berechtigung hat. SAP S/4HANA Cloud lässt sich in der Regel schneller implementieren als herkömmliche On-Premise-Systeme. Die als Service bereitgestellte Lösung ist zudem nachhaltig – Upgrades und Aktualisierungen werden beispielsweise automatisch durchgeführt. Langfristig ist diese Lösung auch unter dem Kostenaspekt sinnvoll, weil die Notwendigkeit der Verwaltung der eigenen Infrastruktur und ihrer Sicherheit entfällt.

„Zu bedenken ist, dass die Kosten des Systems nicht nur aus dem Preis für die Lizenz bestehen, sondern auch andere damit verbundene, oft schwer zu beziffernde Ausgaben einfließen. Die Kosten der Cloud-Lösung sind hingegen klar und transparent.“

Jan Kratochvil, SAP Solutions Director, Aimtec

Was ist mit der Sicherheit der Daten in der Cloud?

Cloud-Server sind weitaus besser vor Cyberattacken oder technischen Ausfällen geschützt als unzureichend gesicherte interne Server. Leider sind Cyberangriffe Realität, und ihre Auswirkungen können für Unternehmen verheerend sein. Die Minimierung eines solchen Risikos ist von entscheidender Bedeutung, weshalb eine SaaS-Lösung vorzuziehen wäre.

Das neue System wird in zwei Cloud-Optionen verfügbar sein: „öffentlich“ und „privat“. Was ist der Unterschied zwischen ihnen und für wen sind sie geeignet?

Vereinfacht gesagt, kann man sich die „private“ Variante als Lösung vorstellen, die vollständig anpassbar und erweiterbar ist, genauso wie eine vorhandene On-Premise-Version von SAP. Aus der Systemperspektive handelt es sich um eine Single-Tenant-Lösung, bei der jeder Kunde sein eigenes „isoliertes“ System hat. SAP S/4HANA Cloud, Private Edition, ist die bevorzugte Lösung vor allem für große Unternehmen mit nicht standardisierten Prozessen und spezifischen Setup-Anforderungen oder für Konzerne mit zahlreichen Niederlassungen, bei denen diese Option auch wirtschaftlich Sinn macht.

Im Gegensatz dazu bietet die „öffentliche“ Version des Systems nicht die Möglichkeit, das System vollständig zu modifizieren, was wir als Vorteil ansehen. Gerade in dieser Option sehen wir die nachhaltige Zukunft der Unternehmenslösung. Bei dem System handelt es sich um eine Multi-Tenant-Lösung, die im Grunde für alle Nutzer einheitlich ist, mit spezifischen Einstellungen auf Kundenebene. Diese Version basiert auf Hunderten von Szenarien, Best Practices, welche die meisten der gängigen Bedürfnisse von Unternehmen abdecken. Und wenn ein spezifischer Prozess angesprochen werden muss, steht die SAP Business Technology Platform (BTP) zur Verfügung. Hier lassen sich spezifische Add-ons und Erweiterungen entwickeln oder bestehende Lösungen aus dem SAP Store herunterladen.

Plant man bei Aimtec die Entwicklung im Rahmen der BTP und die Einstellung der Anwendung in den SAP Store?

Ja, wir mussten unsere Lösung an die Änderungen innerhalb des SAP-Systems anpassen. Heute führen auch wir eine neue Generation unseres Add-ons unter dem Namen Aimtec SCIx ein. Es beruht auf unserer bestehenden Sappy-Lösung, baut auf ihren Vorteilen auf und entwickelt sie weiter. Wesentlich ist, dass es keine Rolle spielt, für welche Version von SAP S/4HANA man sich entscheidet. In jedem Fall können wir unsere Kunden dabei unterstützen, ihre SAP-Umgebung so einzurichten, dass sie ihren Bedürfnissen gerecht wird.

Gerade Aimtec SCIx entwickeln wir auch im Rahmen der BTP. Die Veröffentlichung im SAP Store ist demnächst geplant. Auch hier gehen wir die gesamte Lösung konzeptionell so an, dass sie spezifische Bedürfnisse in der gesamten digitalen Fabrik abdeckt, ohne dass der SAP-Standard geändert werden muss. Der Anwender steht bei uns im Mittelpunkt. Unser Ziel ist ein durch breite Konfigurierbarkeit der Lösung perfekt an den physischen Prozess angepasstes System und nicht umgekehrt.

Die Migration auf SAP S/4HANA und die Anpassung des Systems an die spezifischen Anforderungen beispielsweise der Automobilbranche ist ein wirklich anspruchsvoller Prozess. Worauf sollte man sich primär konzentrieren?

Der Prozess ist anspruchsvoll, andererseits werden ihn aber Hunderte von Unternehmen durchlaufen. Es ist nichts, was nicht machbar wäre, obwohl wir hier sicher nicht von einem Routineprojekt reden. Wichtig ist natürlich die Wahl eines geeigneten Implementierungspartners, der über Erfahrung und ein ausreichend starkes Team verfügt, besonders, wenn es ums Rollout in zahlreichen Niederlassungen geht. Gleichzeitig dürfen auch die internen Ressourcen nicht unterschätzt werden – das ist am Ende wahrscheinlich am wichtigsten, denn für das Upgrade müssen vor allem die in das neue System zu übertragenden Daten in Ordnung sein. Hier liegt in der Regel der größte Stolperstein für ein gut funktionierendes System, nicht nur bei der Migration auf SAP S/4HANA.

Noch eine wichtige Frage zum Schluss. Warum bietet sich gerade Aimtec als geeigneter Partner für die Migration auf SAP S/4HANA an?

Unsere Stärke liegt in einem riesigen Branchen-Know-how. Wir haben mehr als 27 Jahre Erfahrung in Fertigung und Logistik, vor allem im Automotive-Umfeld. Kleinere und mittlere Projekte bewältigen wir allein, bei großen Projekten, die Tausende von Manntagen erfordern, hat sich für uns die Zusammenarbeit mit einem weiteren Implementierungspartner bewährt, der im Kern für die Einführung von SAP S/4HANA verantwortlich ist. Parallel dazu bereiten wir die notwendigen Anpassungen vor, insbesondere die mobile Fiori-Lösung für Produktion und Logistik, damit die Anwender das neue SAP einfach und effizient nutzen können.

Claudia DE Banner

Die gesamte Lösung geht dann zeitgleich in Betrieb. Eine Win-Win-Situation für alle: Der Hauptimplementierungspartner verliert keine Zeit mit der Entwicklung einer Lösung, für die er weder das Fachwissen noch die Kapazitäten hat, und wir kümmern uns um das, worauf wir spezialisiert sind. Und das Wichtigste: Der Kunde erhält ein voll funktionsfähiges und maßgeschneidertes System, was Zeit und Kosten spart und vor allem den Veränderungsprozess im Unternehmen vereinfacht. Die Benutzer haben dann keine Angst, das System zu benutzen, und vertrauen ihm. Und das ist Gold wert.

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