Petr Kraus, SPORTISIMO: Automatisierungstechnologien wirken Wunder. Aber nicht von allein, man muss sie sich erarbeiten

Petra Troblová Aimtec
16. 10. 2024 | 8 Minuten Lesen

Petr Kraus ist seit zwei Jahrzehnten in der IT-Branche tätig. Er hat Einblick in Retail, Logistik und Produktion. Gerade die Verflechtung all dieser Bereiche macht es ihm möglich, die Dinge aus der erforderlichen Perspektive zu betrachten. Hinter ihm liegt außerdem ein umfangreiches Automatisierungsprojekt für das zentrale Distributionszentrum der Firma SPORTISIMO in Ostrava. Welche Fragen hat er sich gestellt, und was für Herausforderungen musste er bewältigen? Lief immer alles glatt, wenn er genau wusste, was er wollte? Wie hat er Lieferanten und einzelne Technologien ausgewählt, und was kann er anderen Unternehmen, die automatisieren wollen, aufgrund seiner umfangreichen Erfahrungen empfehlen? Das sind nur einige der Fragen, die wir Petr gestellt haben.

Wie sieht die Logistik in der Vertriebsfirma SPORTISIMO aus?

Die meisten Waren von den Lieferanten durchlaufen das Zentrallager. Dazu gehören Textilien, Schuhe und Sportausrüstung. Vor allem bei Sportgeräten kann es sich um nicht standardmäßige bis übergroße Artikel wie Skier, Hanteln oder Hockeyschläger handeln. Bei der Lagerung der Waren sind Größe, Gewicht, Art der Verpackung, Umschlagshäufigkeit und Saisonalität zu berücksichtigen. Die Logistik des Warennachschubs (sog. Replenishment) richtet sich nach zahlreichen Parametern. Waren werden entsprechend der Abverkaufsgeschwindigkeit an die Geschäfte ausgeliefert, Größen und Farben aufgefüllt. Größere Mengen schicken wir bei der Eröffnung einer neuen Filiale oder Saisonwechsel. Das Ganze wird durch eine kontrollierte Rücknahme von Ware der vorherigen Saison ergänzt, was jedes Jahr zu einem anderen Zeitpunkt der Fall ist – je nach dem witterungsabhängigen Absatz. E-Commerce macht zwanzig Prozent des Gesamtumsatzes aus und wird sowohl aus dem Distributionszentrum als auch den einzelnen Filialen beliefert. Die Logistikprozesse sind zentral für alle von uns bedienten Länder.

Sie sprechen von einem zentralen Vertriebslager für Europa. Wie hat sich Ihre Vorstellung von der Zukunft eines solchen logistischen Knotenpunkts entwickelt?

Jahrelang dienten drei Lagerhallen der Größe 57 600 m2 in Rudná u Prahy als Distributionszentrum, wobei in jeder Halle ein anderes Sortiment gelagert war. Mit zunehmender Zahl der Online-Bestellungen wurde ihre Konsolidierung immer aufwendiger und konnten wir keine ausreichende Liefergeschwindigkeit gewährleisten. Daher stellten wir Überlegungen an, wie sich das Handicap von drei Lagerhallen ausräumen ließe, und suchten nach einer Lösung, die unseren Kunden einen besseren Service bietet.

Wir entschieden uns für die Errichtung eines neuen Distributionszentrums der Größe 90 000 m2 (12,6 Fußballplätze) und wählten Ostrava als Standort. Mit diesem Schritt eliminierten wir die in den ursprünglich drei Hallen entstandene Ineffizienz, steigerten den Lagerdurchsatz, verbesserten die Qualität der Logistik und planten eine Kostensenkung um ca. zwanzig Prozent. Automatisierung und neue Technologien haben uns dabei geholfen. In Ostrava verfügen wir über eine Kombination aus verschiedenen Technologien, wie Miniload, halbautomatische Schmalgangstapler, Pick Tower, Pick by Light, kilometerlange Förderbänder mit vielen Knotenpunkten sowie Roboterarbeitsplätze zum Palettieren und De-Palettieren von Waren.

Wussten Sie von Anfang an, was Sie erreichen wollen, was Ihr Ziel ist?

Heute sehe ich, dass wir eine ziemlich genaue Vorstellung davon hatten, was wir wollten. Wir wussten, was uns unter den Nägeln brennt, z. B. die Konsolidierung von Bestellungen aus verschiedenen Lagerhallen, die langsame und schwierige Kommissionierung und vor allem die Integration von E-Commerce in unsere Logistik. Wir hatten die Zahlen, die tägliche Leistung, die maximale Stundenleistung und Vorstellungen über die Zukunft. Andererseits wussten wir nicht, welche Technologien dafür am besten geeignet sind. Aus diesem Grund kontaktierten wir ein Beratungsunternehmen und führten mehrere Simulationen der Leistung einzelner Lösungsoptionen durch. Die Berater halfen uns bei der Vorbereitung einer Ausschreibung. Und dann kam die schwierige Phase der Auswahl des Anbieters, wobei wir nur mit einem Hauptpartner arbeiten wollten, der mit den anderen Subunternehmen kommunizieren würde.

Was waren die wichtigsten Kriterien für die Auswahl des Anbieters und der einzelnen Technologien?

Bei dem Partner beurteilten wir das Know-how im Rahmen unserer Branche. Eine wichtige Rolle spielten die Kompetenz, uns langfristig zu unterstützen, die Fähigkeit, ein stabiler Partner zu sein, und die Möglichkeit der Bereitstellung einer Lösung, die ohne Ausfälle verfügbar und funktionsfähig ist. Wir verlangten die komplette Lieferung und Erfahrungen mit den in Frage kommenden Technologien. Außerdem verglichen wir die Gesamtkosten der Investition mit den Kosten ihres späteren Betriebs (Total Cost of Ownership (TCO)).

Das Projekt ist größtenteils abgeschlossen. Wie bewerten Sie es im Nachhinein? Hat sich Ihre Sicht verändert, und ist etwas wichtiger, als es anfangs schien?

Wir denken und sehen, dass die vorgeschlagenen Technologien richtig ausgewählt wurden. Dabei haben wir nicht den Eindruck, durch die Leistung oder eine schlechte Auswahl bzw. Gestaltung limitiert zu sein. Allerdings besteht immer noch Spielraum bei der Leistung des gesamten Lagers.

Aus heutiger Sicht würde ich mehr Gewicht auf die Fähigkeit legen, die Lösung während der Implementierung zu ändern und anzupassen. Damit meine ich nicht, einen Automaten nach dem anderen hinzuzufügen, sondern die Möglichkeit zu haben, Prozesse flexibel entsprechend den aktuellen Anforderungen einzustellen.

Petr Kraus, IT-Direktor, SPORTISIMO

Viele Dinge, die wir uns ausgedacht haben, lassen sich nicht wie ursprünglich geplant umsetzen. Wir brauchen sie etwas anders und einfacher. Wichtig ist die Möglichkeit, sie selbst zu konfigurieren und zu ändern, ohne kostspielige und langwierige Änderungsanforderungen und neue Versionen vom Partner. Flexibilität und Autonomie sind ein Schlüsselfaktor für den Projekterfolg.

Was würden Sie jemandem empfehlen, der Automatisierung in Betracht zieht? Woran sollte er denken und was vermeiden? Gibt es Ihrer Meinung nach einen einfachen Leitfaden?

Zuerst muss man sich ein klares Bild davon machen, was warum benötigt wird – aus allen Blickwinkeln des Unternehmens. Dabei sollte man nicht vergessen, dass neben der logistischen Perspektive auch das Kundengeschäft (Vertrieb), IT, Finanzen usw. berücksichtigt werden müssen. Wichtig sind messbare und vor allem realistische Ziele, die mit der Veränderung erreicht werden sollen. Diese gilt es für geeignete Zeiträume zu planen. Weiter geht es mit der Suche nach einem erfahrenen Beratungspartner, der im gesamten Prozess unterstützt. Fragen Sie nach Referenzen! Das Wichtigste ist, mit Leuten zu sprechen, die über entsprechende praktische Erfahrung verfügen.

Auch sollte man sich einschränkender Faktoren bewusst sein und z. B. Warenverlagerungen für außerhalb der Hauptsaison planen. Erwägen Sie eine Simulation der Arbeit einzelner Technologien, die Ihre Vorstellungen erfüllen. Planen Sie Validierung und Parallelbetrieb ein, d. h. bis wann und wie die ursprüngliche Lösung funktionieren kann, während die neue hochgefahren wird, und zwar mit ausreichend Spielraum. Entscheiden Sie, ob es eine Blackbox-Lösung sein soll, die feststeht und passgenau entwickelt und installiert wird, ohne dass weitere Änderungen erforderlich sind, oder ob Sie eine konfigurierbare Lösung bevorzugen, die sich beeinflussen und an die Entwicklung anpassen lässt. Zu guter Letzt sollte man sich die Fragen und das Feedback des gewählten Partners anhören – was Sie wahrscheinlich zum ersten (und hoffentlich letzten) Mal tun, hat er schon viele Male vorher gelöst.

Werden all diese Schritte dann zu einem schnellen wirtschaftlichen Ergebnis führen?

Auch mit der bestmöglichen Verfahrensweise darf man keine sofortigen Wunder erwarten. Moderne Automatisierungstechnologien können sie zwar bewirken, sie kommen aber nicht von allein. Man muss sie sich erarbeiten und eine Reihe kleinerer Probleme aus dem Weg räumen. Die Einführungsphase kann auch mal länger dauern, als ursprünglich gedacht, die gesteckten Ziele müssen nicht sofort erreicht werden. Entscheidend ist, ein Team zu haben, das sich unermüdlich für den Wandel ins Zeug legt. Dann kann man sicher sein, dass die Ergebnisse nicht auf sich warten lassen.


Sportisimo_Kraus_Citace DE

Petr Kraus

Seit zwanzig Jahren auf dem Gebiet der Informationstechnologien tätig. Seine Erfahrungen sammelte er in der Produktionsfirma LINET, wo er sich bis zum IT-Direktor der gesamten Holding hocharbeitete. Bei der SPORTISIMO-Gruppe ist er seit über sieben Jahren als IT-Direktor beschäftigt. Damit verfügt er über Erfahrungen in den Bereichen IT und Logistik sowohl in Produktions- als auch Vertriebsunternehmen. In seiner derzeitigen Position hat er ein Team von 110 Mitarbeitern aufgebaut. Sein Schwerpunkt liegt auf der IT-Transformation. Er vertritt die Auffassung, dass diese Abteilung ein menschliches Antlitz haben muss, eng mit dem Geschäft verbunden und Partner bei der Entwicklung des gesamten Unternehmens sein sollte. Bei seinen Kollegen legt er besonderes Augenmerk auf hervorragende Kommunikationsfähigkeiten.


SPORTISIMO s.r.o. Seit 2000 eine große tschechische Einzelhandelskette mit Online-Shop für Sportartikel. Die Firma betreibt derzeit 238 Geschäfte in der Tschechischen Republik, in der Slowakei, in Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Die Unternehmensgruppe erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über 12 Mrd. CZK und beschäftigt mehr als 4 000 Mitarbeiter.

 

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