Petr Eret über Remote Delivery: Eher mentaler als technologischer Wandel
- Digitale Fabrik
- Gespräch
Software-Lösungen komplett remote ausrollen? Ein Projekt abschließen, ohne dass das Team die Fabrik oder das Lager vor Ort besucht? All das ist möglich – mit Aimtec, einem Beratungs- und Technologieunternehmen aus dem tschechischen Pilsen. Seit fast 25 Jahren bietet Aimtec Software-Lösungen für Logistik und Produktion. Welche Rolle spielt Corona auf dem Weg zu Remote Delivery und was sind die Anforderungen an den Kunden? Darüber haben wir mit Petr Eret, Senior Business Consultant bei Aimtec gesprochen.
Wie können wir uns Remote Delivery vorstellen? Wie verändert sich dadurch das Arbeiten an großen Software-Projekten?
Der Hauptunterschied ist, dass bei Remote Delivery die Dinge, die unsere Berater normalerweise immer vor Ort erledigen, komplett remote stattfinden. Der Berater steht dabei hauptsächlich über Videokonferenzen mit dem Kunden in Kontakt. Dabei geht es nicht nur im den Wechsel von einer Meeting-Plattform zur anderen. Wir nutzen schon sehr lange videogestützte Training-Sessions oder andere E-Learning-Möglichkeiten. So kann der Kunde das erworbene Wissen sofort in einer echten Anwendung auf unserer aimtec.cloud anwenden.
Was ist aus Ihrer Sicht der größte Vorteil für den Kunden? Ist es die erwähnte Flexibilität oder etwas anderes?
Zurzeit ist der größte Vorteil ganz einfach, dass wir ganz normal an unseren Projekten weiterarbeiten können. Es gibt keine Verzögerungen oder, was noch schlimmer wäre, Unterbrechungen. Wir arbeiten weiter nach Plan. Aber unsere Kunden werden Remote Delivery auch bei Projekten zu schätzen wissen, die noch in der Vorbereitungsphase sind. Ich sage das, weil sie sich darauf verlassen können, dass sie sich mit unseren Systemen vollumfänglich vorbereiten werden, die aktuelle Krise und auch spätere zu meistern.
Für manch einen ist es vielleicht schwierig, sich vorzustellen, mit einem Lieferanten nur über den Computer zu arbeiten. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Online-Meetings nie so effizient sind wie persönliche Treffen. Andererseits haben Meetings, die remote stattfinden auch Vorteile für Kunden. Ich denke da an die Möglichkeit, viel mehr Aimtec-Mitarbeiter in ein Projekt einzuspannen. Der Spezialist auf einem bestimmten Gebiet kann sich ohne größeren Aufwand einfach dazu schalten. Außerdem wäre da noch die Zeit- und Kostenersparnis bei Dienstreisen.
Wie bereits erwähnt, kommen einige Vorteile jetzt eher zum Tragen als noch vor ein paar Monaten. Hatte die Pandemie Auswirkungen auf die Pläne von Aimtec bezüglich Remote Delivery? Hat es einen grundlegenderen Wandel in Gang gesetzt oder nur die Vorteile zum Vorschein gebracht?
Wir hatten in der Vergangenheit schon viele Arbeiten an Projekten remote durchgeführt und sogar schon ganze Projekte vollständig remote abgewickelt. Allerdings gibt es Phasen, in denen wir festgestellt haben, dass es am besten ist, wenn der Berater persönlich vor Ort ist. Das ist gerade dann der Fall, wenn es um Analysen oder Prototyping geht und natürlich beim Start des Live-Systems im Wirkbetrieb. Allerdings konnten weder wir noch unsere Kunden uns vorstellen, dass sich die Situation so schnell ändern würde. Corona hat dazu natürlich maßgeblich beigetragen und wir haben uns so schnell es eben ging an die neue Situation angepasst.
Wenn ein Kunde ein „Remote-Projekt” in Betracht zieht, hat die Art und Weise der Implementierung vermutlich kundenseitig Auswirkungen auf die Vorbereitung. Wie anspruchsvoll sind diese Vorbereitungen für den Kunden?
Hier gibt es viele Unterschiede zu traditionellen Projekten. Damit ein „Remote-Projekt“ erfolgreich sein kann, brauchen wir auf der Kundenseite einen erfahrenen IT-Spezialisten, jemand der während des gesamten Projekts unser verlängerter Arm ist. Ein solcher Spezialist kann die Probleme lösen, die zunächst gar nicht so groß scheinen, letztlich aber große Auswirkungen haben können. Das können vermeintlich triviale Dinge sein, wie ein Drucker, der nicht funktioniert, ein Terminal, der sich nicht verbinden lässt oder Probleme mit dem WLAN.
Beim Übergang des Live-Systems in den Wirkbetrieb ist es außerordentlich wichtig, dass das erweiterte Deployment-Team beim Kunden gut arbeitet. Auch im Mehrschichtbetrieb müssen wir sicher sein, dass ein ausgebildeter und erfahrener Key User direkt vor Ort ist und unsere Berater per Video mit ihm in Kontakt sein können.
Wir haben über das interne Team gesprochen. Braucht es für Remote Delivery bestimmte Technologien?
Inzwischen ist remote zusammenzuarbeiten nicht mehr so anspruchsvoll wie früher. Sowohl der Kunde als auch wir nutzen dafür die üblichen Tools zur digitalen Zusammenarbeit und Kommunikation. Im Grunde benötigt man einen Konferenzraum, der mit allem ausgestattet ist, was für Videokonferenzen erforderlich ist, einen Bildschirm oder einen Beamer. Es ist nie verkehrt, noch ein Whiteboard oder Flipchart zu haben, das sich über die Kamera teilen lässt. Während des Definierungsprozesses werden oft Diagramme gezeichnet und besprochen, was dabei hilft, dass wir alle einander verstehen und mit dem Projekt vorankommen.
Die Ausbaustufe ist dann eine App für Videoconferencing. Damit können wir mit dem Kunden Bilder aus dem Lager oder der Produktion direkt teilen. Das gibt uns die Möglichkeit „vor Ort“ zu sein und wir müssen uns nicht darauf beschränken, eine Situation nur zu beschreiben. Grundsätzlich denk ich aber, dass Remote Delivery eher ein mentaler als ein technologischer Wandel ist.
Zurück zu den Erfahrungen mit Remote Delivery in der realen Welt – wie sieht es grundsätzlich aus?
Wir führen recht häufig bei Bestandskunden Roll-Outs remote durch, zum Beispiel in einer zusätzlichen Fabrik. Bei neuen Projekten haben wir diesen Ansatz ebenfalls schon angewendet. Ich kann mich an einen tschechischen Gummiverarbeiter erinnern und wie wir ihnen geholfen haben, eine Lösung in einer Fabrik in Amerika umzusetzen, in die niemand von uns je einen Fuß gesetzt hat.
Seit der Pandemie haben wir verschiedene Prototyping-Prozesse und Integration-Tests durchgeführt. Auch Remote Definition haben wir schon ausgerollt. Gerade bereiten wir mehrere Projekte für einen Start des Produktivsystems vor, der komplett remote stattfinden soll. Wir bekommen sehr positives Feedback, gerade in Bezug auf ursprünglich festgelegte Deadlines im Projekt, die wir so einhalten können.
Was wird die Zukunft von Remote Delivery sein? Wird es unseren Markt künftig bestimmen? Werden Roll-Outs nur noch remote stattfinden?
Persönlich hoffe ich, dass wir unsere Kunden wieder werden treffen können. Entweder in ihren Fabriken oder bei uns, bei Aimtec. Ich mag persönliche Meetings viel lieber. Andererseits haben wir gesehen, dass früher viele Dinge vor Ort erledigt wurden, für die eigentlich niemand hätte reisen müssen. Außerdem überwiegen die Vorteile der Zusammenarbeit remote häufig und wir lernen, Dinge effizienter zu erledigen. Das trifft wohl auf die Folgen der Pandemie ganz allgemein zu, nicht nur auf unsere Projekte.
Sie sind ja selbst oft Teil von Teams, die Implementierungen remote durchführen. Gibt es irgendeinen Überraschungsmoment durch Remote Delivery?
Kürzlich erst habe ich mich für Video-Conferencing als Kommunikationskanal für eine Support-Anfrage bei einem Bestandskunden entschieden. Wir können aus der Distanz auf den Bildschirm eines Terminals zugreifen und die Live-Daten sehen. Dennoch hat es mich angenehm überrascht zu sehen, wie ein Videoanruf einen die reale Situation und die Umstände vor Ort sehen lässt. Man versteht das Problem viel schneller und kann es leichter lösen. Es gibt nur eine Voraussetzung. Der Ansprechpartner beim Kunden, der das Telefon hält, darf keine zitterigen Hände haben.
Also, zum krönenden Abschluss, was können wir Kunden als Auswahlkriterium für ihre Key User empfehlen?
… eine ruhige Hand!
Remote Delivery von Aimtec
Remote Delivery ist die Gesamtheit von Abläufen und Maßnahmen zum möglichen Einsatz von Systemlösungen der Firma Aimtec ohne notwendige Anwesenheit ihrer Berater beim Kunden. Dabei handelt es sich vor allem um Schulungsvideos, Testumgebungen in der Cloud und Trainings mittels Videokonferenzen. Damit reagiert Aimtec vor allem auf die Einschränkungen in Verbindung mit der Corona-Pandemie, um Firmen die Implementierung von Softwarelösungen und effektivere Gestaltung von Fertigungs- und Logistikprozessen zu ermöglichen. Der Service ist Bestandteil von Digital Delivery, einer der Säulen des Unternehmens, die auf Projektmanagement und seine Automatisierung und Digitalisierung gerichtet ist.
Petr Eret
Petr arbeitet seit über 15 Jahren im Projektmanagement, 12 davon hat er bei Aimtec als Senior Business Consultant verbracht. Zu seinen Spezialgebieten gehören WMS (Warehouse Management Systems) und MES (Manufacturing Execution Systems).
Artikel teilen
Top News aus Logistik, IT und Produktion
Melden Sie sich für das Aimtec Insights an!
Mit Anmeldung zum Newsletter erkläre ich meine Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten.
Erhalten Sie regelmäßig aktuelle News aus Logistik, Produktion
und IT per E-Mail!
Für das Aimtec Insights anmelden
Mit Anmeldung zum Newsletter erkläre ich meine Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten.