Die Umstellung auf die Cloud ist nur eine Frage des Timings
- Automotive
- Gespräch
Alexander Schrödel ist für den IT-Bereich bei der Gruppe Rehau Industries verantwortlich. Das Unternehmen, das Polymerlösungen fürAutomotive, das Bauwesen und andere Industrien liefert, verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit EDI. Schrödel selbst sieht den elektronischen Datenaustausch als Voraussetzung dafür, dass der Konzern in dem erforderlichen Umfang und in der erforderlichen Zeit Geschäfte tätigen kann. "Es ist eine große Herausforderung, die gesamte Prozesskette zu automatisieren und den EDI-Prozess als Ganzes zu sehen und zu optimieren und nicht nur als Warteschlange von Aufträgen", sagt der deutsche Manager in einem Interview mit Jan Stočes, Direktor von Cloud & Integration Solutions in der Gesellschaft Aimtec.
Als bedeutender Zulieferer der Automobilindustrie nutzen Sie natürlich EDI. Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Bedeutung von EDI in den letzten Jahren verändert?
Was das Geschäft mit den Automotive-Zulieferern angeht, hat sich nicht viel geändert. Was den Nachrichtenaustausch betrifft, arbeiten wir als Tier-1-Zulieferer seit zwanzig, vielleicht dreißig Jahren mit OEM-Kunden auf EDI-Basis zusammen. Bei jedem neuen Projekt, das wir an Land ziehen, können wir Daten nach den üblichen Nachrichtenstandards austauschen. Damit erfüllen wir nicht nur die Standards des deutschen Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sondern als Global Player auch die Standards, die multinationale OEMs und andere Kunden von uns erwarten.
In Anbetracht der Größe Ihres Unternehmens schätze ich, dass Sie mit EDI mehr oder weniger alle Prozesse abdecken, bei denen der elektronische Datenaustausch genutzt werden kann. Fällt Ihnen eine Funktion ein, die Sie derzeit bei EDI vermissen oder die dazu beitragen würde, EDI für etwas anderes zu nutzen?
Wir sind nicht nur Automobilzulieferer, sondern haben ein breiteres Betätigungsfeld, wir sind vor allem im Bauwesen und im Industriesektor, aber auch im Möbelbereich tätig. Daher sind wir mit allen Standards für die Nachrichtenübermittlung vertraut. Wir verfügen über fast alle Kommunikationskanäle für den Nachrichtenaustausch, sei es EDI in Form von SaaS, Web-EDI oder einfach nur E-Mail-Kommunikation. Wir verwenden verschiedene Misch- oder Hybridformen. Der Umfang ist enorm, wir haben Tausende von Kunden und Hunderte von verschiedenen Arten des Mappings, von Bestellungen über Gutschriften und Lieferabrufen, Versandavisen oder Auftragsbestätigungen. Es ist also das ganze Spektrum, und wir machen das schon seit langem. Deshalb wissen wir, dass EDI ein breites Spektrum an unterschiedlichen Technologiestandards abdecken muss, und darauf konzentrieren wir uns. Aber ich kann nicht sagen, dass wir derzeit von einem besonderen Mangel betroffen sind.
In den letzten Jahren wurde API als Ersatz für EDI in Betracht gezogen. Heute werden die beiden Technologien eher als komplementär betrachtet. Haben Sie Erfahrung mit Projekten, bei denen Webservices eingesetzt wurden?
Es kommt immer auf den technologischen Reifegrad unserer Kunden an. Im Bauwesen ist dies relativ wenig verbreitet, und in der Automobilindustrie hält man sich noch an die üblichen Formate für den Nachrichtenaustausch. Auch wir werden also weiterhin die klassischen Wege nutzen, so dass ich noch keine große Trendwende in unseren Branchen sehe.
Ein weiteres, derzeit viel diskutiertes Thema ist die Cloud. Cloud-Lösungen sind im Sektor der kleinen und mittleren Unternehmen sehr beliebt. In großen Unternehmen überwiegen hingegen eher On-Premise-Lösungen. Wie gehen Sie bei Rehau mit dem Thema Cloud versus On-Premise um?
In der Vergangenheit haben wir stark in On-Premise-Lösungen und eigene Hardware investiert. Es ging nicht nur um EDI, sondern auch um andere Technologien. Wir haben unser eigenes Datenzentrum, unsere eigenen EDI-Konverter, die wir selbst hosten. Aber der Wechsel in die Cloud ist nur eine Frage der Zeit, und es kommt darauf an, wann der richtige Zeitpunkt eintritt. Wir müssen darauf vorbereitet sein und genau wissen, wie die technologische Entwicklung dieser On-Premise-Lösungen verlaufen wird. Damit verbunden sind die künftig erforderlichen Reinvestitionen, zum Beispiel in die Hardware-Infrastruktur, aber das ist wirklich nur eine Frage des Timings. Denn unser Wettbewerbsvorteil ist nicht das Hosting von EDI-Konvertern, sondern die Fähigkeit, unseren Kunden maximalen Service und Kompatibilität mit einem Maximum an Formaten beim Nachrichtenaustausch zu bieten. Das ist es, was zu einer effizienten Zusammenarbeit führt. Wir sind nicht auf das Hosting angewiesen, obwohl wir ein Datenzentrum haben. Dies bringt übrigens keinen zusätzlichen Nutzen für das Thema EDI als Dienstleistung. Die Frage ist also nur, wann.
Was wäre im Falle eines großen Unternehmens wie Rehau der Auslöser, der den richtigen Zeitpunkt für einen solchen Schritt bestimmen würde?
Da wir so viele verschiedene Nachrichtendateien und auch Mappings mit individuellen Merkmalen verwenden, sind die Migrationskosten natürlich relativ hoch. Letztlich handelt es sich jedoch um eine rein kommerzielle Angelegenheit, bei der diese Kosten auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Kalkulation aufgewendet werden. Es geht also nicht darum, einen einzigen positiven "Business Case" mit hohen Akquisitionskosten zu schaffen, sondern vielmehr um ein langfristiges Betriebsmodell, das man als Grundlage für künftige Geschäfte betrachten muss. Dies wird letztendlich entweder auf der Grundlage des Zeitrahmens für die Reinvestition oder auf der Grundlage der Strategie für die Softwareprodukte, die wir On-Premise haben, erfolgen. Dann wird also festgesetzt, dass es bestimmte Zeitfenster gibt, in denen es sinnvoll ist, in die Cloud zu migrieren.
Es gibt noch ein weiteres Thema, das ich im Zusammenhang mit EDI erwähnen möchte, und zwar den ROI (Return on Investment) - Investitionsrückfluss. Automatisierung ist heutzutage ein großes Thema und sieht natürlich attraktiv aus, wenn man ein halb- oder vollautomatisches Lager mit Robotern hat, die eine große Anzahl Mitarbeiter ersetzen können, so dass sich die Investition relativ schnell auszahlt. Aber im Falle von EDI kann das ganze Personal nicht so schnell ersetzt werden. Was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste, um eine optimale Investitionsrendite bei EDI zu erzielen?
Dabei sind zwei Sachen zu unterscheiden. Erstens ist es in der Automobilindustrie und in einigen anderen Branchen nicht möglich, Daten in bestimmten Mengen ohne EDI zu verarbeiten. Vielerorts ist EDI also eine Voraussetzung dafür, um überhaupt zusammenarbeiten zu können, sowohl was den Umfang als auch was die Zeit betrifft. Dies bedeutet, dass eine manuelle Verarbeitung überhaupt nicht funktionieren kann. Der Investitionsrückfluss ist hier also nicht das primäre Thema. In traditionelleren Branchen, wie im Bauwesen, stellt sich die Frage, wie viel Automatisierung zur Steigerung der Effizienz beitragen kann, wenn bereits automatisierte Prozesse für die Auftragsverarbeitung oder die Rechnungsbearbeitung vorhanden sind. Aus der Sicht von Rehau ist das Thema ROI natürlich auch relevant. Der Investitionsrückfluss ist in der Regel aus Sicht der Optimierung der Prozesskosten verhältnismäßig schnell.
Nehmen wir an, ich habe ein Lager, das gerade aufgerüstet wird, z. B. von einem Barcode-Scanner bis hin zu einem vollautomatischen System, und ich habe ein WMS. Wenn ich bereits auch über EDI verfüge, wann ist es dann sinnvoll, wenn überhaupt, eine solche Umstellung bei einem so großen und komplexen Unternehmen wie Rehau vorzunehmen? Dann wird die Frage nach der Rückflussdauer der Investition noch wichtiger.
Die große Herausforderung besteht darin, die gesamte Prozesskette zu automatisieren. Der Mehrwert besteht bereits darin, dass wir die Aufträge von den Kunden selbst erhalten und sie nicht über andere Kanäle durch Mitarbeiter entgegennehmen müssen, aber es ist noch wichtiger, diese Prozesse weiter zu automatisieren. Letztendlich ist es auch möglich, auf der Ebene End-to-End der Prozesse zu automatisieren. Und hier besteht die Herausforderung definitiv darin, den EDI-Prozess als Ganzes wahrzunehmen und zu optimieren und nicht nur als eine Warteschlange von Aufträgen. Diese ganzheitliche Betrachtung der End-to-End-Prozesse ist auch für Rehau relevant und sollte weiter ausgebaut werden, da sie auch in anderen Digitalisierungsprojekten Potenzial hat.
Wie Sie einleitend erwähnt haben, verwenden Sie viele Formate im EDI und haben zahlreiche Kunden. Dies führt zu einer enormen Datenmenge, die in irgendeiner Weise verarbeitet und gespeichert werden muss. Arbeiten Sie mit diesen Daten weiter im Sinne von Data Mining, maschinellem Lernen oder anderen Analysen?
Wir führen keine speziellen Analysen in der isolierten Betrachtung der EDI-Kommunikation gewonnenen Daten durch. Der Fokus liegt auch hier eher in der End-to-End Prozessbetrachtung und Data Mining ist auch bei uns ein Thema mit dem Ziel Medienbrüche und manuelle Teilprozesse zu automatisieren.
Wie bereits erwähnt wurde, verfügen Sie über langjährige Erfahrung mit EDI. Glauben Sie, dass diese Technologie auch Zukunft hat, oder wird sie durch eine neue Technologie ersetzt werden?
Es gibt verschiedene Trends in unterschiedlichen Branchen, speziell in der Automobilindustrie, wo das Thema Stammdaten an Bedeutung gewinnt. Dies hängt zum Teil mit dem neuen Gesetz über die Lieferkette zusammen, aber es handelt sich nicht nur um die Gesetzgebung. Der wichtigere Aspekt sind meiner Meinung nach die Stammdaten in den Geschäftsbeziehungen zwischen produzierenden Unternehmen, die die Grundlage für EDI bilden. Ich sehe hier bereits eine Verlagerung hin zu mehr Verknüpfung und auch zu mehr Synchronisation der Stammdaten, wenn es um Produktionsunternehmen geht.
Es ist offensichtlich, dass EDI als Technologie ein neues Niveau erreicht. Sie ist an sich sehr weit verbreitet und wird zumindest in absehbarer Zukunft weiter bestehen. Und vielleicht ist die Frage der Stammdaten etwas, das diese Technologie weiter bereichern wird.
Alexander Schrödel, CIO, Rehau
Da Sie eine weiterführende Verknüpfung erwähnt haben, ist Rehau zum Beispiel an der Catena-X-Technologie beteiligt?
Wir befinden uns in der Phase der Erforschung und Sammlung von Informationen. Bislang sind wir eher Beobachter als aktive Teilnehmer. Es ist aber natürlich ein Mammutprojekt der großen Akteure, das wir nicht ignorieren können. Und wenn die Zeit kommt, werden wir uns vielleicht beteiligen. Ich habe kürzlich mit dem CIO eines großem Tier-1-Lieferanten gesprochen, der sich diesem Projekt angeschlossen hat, und er ist begeistert vom Vorgehen und dem Engagement der Beteiligten.
Wenn wir uns die Lieferkette anschauen - wie groß ist die Bereitschaft Ihrer Zulieferer, EDI zu implementieren oder diese Technologie zu nutzen?
Durchwegs groß. Wir arbeiten auf der Zuliefererseite meistens mit größeren Unternehmen, die auch über die entsprechenden IT-Kapazitäten verfügen, so dass sie EDI-Prozesse unterstützen und deren Standards und Anforderungen den unseren ähnlich sind. Bei neuen Partnern vereinbaren wir in der Regel gleich zu Beginn die Form der EDI-Kommunikation und implementieren sie verhältnismäßig schnell.
Bieten Sie den Lieferanten neben dem traditionellen EDI auch WebEDI-Plattformen an?
Ja. Wir arbeiten mit verschiedenen Formen. Aber lassen Sie uns darüber sprechen, was WebEDI konkret bedeutet. Die Datenübertragung über das Portal ist möglich und bei uns durchaus üblich. Zwischen dem klassischen E-Mail- und EDI-Austausch bieten sich aber auch andere Formen der strukturierten Datenübertragung an. Ob es sich um eine Art Zwischenschritt in der technologischen Reife handelt oder vielleicht um ein Backup-Szenario für den Fall, dass EDI nicht funktioniert.
Sind Sie bei der Einführung von EDI bei Ihren großen Lieferanten auf wiederkehrende Hindernisse oder größere Probleme gestoßen?
Das größte Problem ist die große Zahl der Anforderungen. Dies bedeutet eine wesentlich höhere Anforderung an die Kapazitäten, um all diesen Anforderungen und dem damit verbundenen Potenzial gerecht zu werden. Das gelingt uns nicht. Dies führt zu Problemen wie zu bestimmten Wartezeiten für unsere Geschäftsbereiche und auch für Lieferanten oder Kunden. Das gilt natürlich nicht für Projekte in der Automobilindustrie mit OEM-Herstellern, wo hin zum SOP alles strikt nach Zeitplan laufen muss, aber in anderen Bereichen ist es eine Frage der Verhandlung und Vereinbarung mit unseren Partnern und da sind Wartezeiten, also Kapazitäten, ein großes Problem.
Können Sie uns auch sagen, wo Sie sich inspirieren lassen, um in Ihrem Bereich als CIO auf dem Laufenden zu bleiben?
Während der Coronavirus-Pandemie wurde der Zusammenhalt in der Gemeinschaft erheblich gestärkt. Die Netzwerkbildung ist extrem schnell geworden, und auch die Palette der Kommunikationsformate hat sich erweitert. Ich selbst pflege einen sehr intensiven Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus der Branche, mit denen wir uns regelmäßig treffen. Aber auch außerhalb dieser Treffen können wir Ideen austauschen. Mit anderen Worten: Wir bewegen uns jetzt in Netzwerken, nicht in Ereignissen. Das ist eigentlich der Trend, der auch für den Austausch von Fakten, für die Meinungsbildung über neue Initiativen, die andere angekurbelt haben, am wichtigsten ist, und dieser Erfahrungsaustausch ist sehr wertvoll. Darüber hinaus gehört zur Rolle des CIO natürlich auch eine tägliche Portion Information aus allen möglichen Medien und Kanälen. Schließlich bin ich ein "Information Officer", also sollte ich rund um die Uhr über relevante Informationen verfügen.
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Wer ist Alexander Schrödel?
Alexander Schrödel hat sein Berufsleben mit der Gesellschaft Rehau verbunden, in der er seit fast zwei Jahrzehnten arbeitet. Er war in den Bereichen strategische Planung, Prozessmanagement und hat die letzten 15 Jahre verschiedene Führungsfunktionen in der IT-Organisation der Rehau Gruppe inne gehabt. Vor allem aber ist er IT-Manager und seit Juli dieses Jahres als CIO für die IT bei Rehau Industries und gruppenweite IT Services verantwortlich.
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