Automatisierung der Lagerprozesse mit VNA: allgemeine Voraussetzungen
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Immer öfter sind in Lagerhallen sog. VNA (Schmalgangfahrzeuge) eingesetzt, die ganz allein durch die Gänge rauschen oder halbautomatisch unterwegs sind. Vorher müssen sie aber korrekt in ihre Umgebung integriert werden. Damit VNA nicht zum Alptraum werden, bedarf es einer angemessenen Vorbereitung. Wie also Lager und Prozesse für den Neuzugang in der Lageflotte rüsten? Hier ein paar Ratschläge, wie es richtig geht.
Aufträge werden immer im letzten Moment fertig. Versprochene Termine können nicht zu 100 % eingehalten werden. Sie überlegen, wie sich Maschinenausfälle, Materialmangel oder Qualitätsprobleme lösen lassen, ob ein Auftrag um jeden Preis fertiggestellt werden muss oder besser die Produktion angehalten und mit einem anderen Produkt weitergemacht werden sollte. Wie aber wirkt sich das auf weitere Aufträge und Liefertermine aus? Sie wollen wissen, ob eine Nachmittags- oder Samstagsschicht notwendig ist.
Im Grunde lassen sich Unternehmen in zwei Gruppen unterteilen: Die einen planen ihre Automatisierung als Ganzes und binden von Anfang an alle Lieferanten ins Projekt mit ein. Wenn es um die Integration von VNA geht, planen sie im Voraus das Lagerlayout und überlegen, was für Fahrzeuge angeschafft werden müssen. Außerdem ziehen sie einen Systemintegrator hinzu. Die zweite Gruppe geht umgekehrt vor. Sie beginnt mit Technologien und Lagerlayout und bezieht den Lieferanten des WMS ein, damit er die Sache in Gang setzt. Beide Szenarien können erfolgreich sein, vorausgesetzt, man ist gut vorbereitet.
„Unsere Erfahrung als Systemintegrator aus Dutzenden Projekten zur VNA-Integration besagt, dass die Implementierung erfolgreicher verläuft, wenn von Anfang an alles als Ganzes konzipiert wird. Aber auch der zweite Weg ist nicht unbedingt schlechter und mitunter angesichts der Umstände sogar unumgänglich. Eventuell wird es aber erforderlich, bestimmte Firmenabläufe zu modifizieren. Die vorausgewählte Technologie muss nicht unbedingt ausreichen oder ist ggf. sogar völlig unbrauchbar.“
Automatisierung ohne klassisches WMS
Projekte zur Implementierung der Steuerung von VNA-Technologien erfordern eine höhere Stufe der Systemsteuerung als es bei gewöhnlichen WMS-Einsätzen der Fall ist. Das Warehouse Management System muss im Fall automatisierter Gabelstapler auch Prozesse zur Steuerung von Technologien beinhalten, wodurch ein WCS bzw. Warehouse Control System aus ihm wird. Gleich zu Beginn stehen daher kritische Fragen, ohne die das Projekt schnell scheitern kann, was natürlich keiner will. Fragen Sie daher intern und Ihre Lieferanten:
- Bewältigt die Technologie den jeweiligen Prozess selbst oder muss der Benutzer dabei sein?
- In welchem Maße sind Eingriffe des Benutzers notwendig?
- Was für Hardware-Bedingungen müssen spezifiziert werden?
- Bedeutet die höchste Stufe der Automatisierung größtmögliche Effektivität oder reicht eine Teilanpassung von Prozessen aus?
- Kann die Technologie im Lager umfassend genutzt werden?
Bei der VNA-Implementierung muss auch der technische Zustand des Gebäudes überprüft werden. Foto: P3.
Halle, Projekt und Team vorbereiten
Auch wenn die anfängliche Begeisterung mitunter gebietet, die neuen Gabelstapler schnell auszuwählen, sollte man einen Augenblick innehalten und überlegen, ob man wirklich für sie gerüstet ist. Hier die wichtigsten Aspekte, damit VNA wirklich effektive Helfer und kein notwendiges Übel sind. Es handelt sich um drei Faktoren: Halle, Projekt und Team.
Technische Vorbereitung des Objekts
Wird der Einsatz von VNA-Fahrzeugen auf welcher Automatisierungsstufe auch immer im Lager erwogen wird, so überprüfen Sie zunächst, wie Ihre Halle dasteht. Buchstäblich und im übertragenen Sinne.
Fußboden
VNA-Fahrzeuge stellen bestimmte Anforderungen an die Beschaffenheit des Fußbodens. Ist er nicht eben, können sie in bestimmten Bereichen des Ganges aus der Fahrspur (z. B. Induktion) kippen und mitten im Prozess anhalten. Die Position des VNA-Staplers muss dann nicht den (in der Lagerkarte) vordefinierten Koordinaten entsprechen und kann Ungenauigkeiten bei Ein- und Auslagerung verursachen. Der VNA-Stapler kommt, einfach ausgedrückt, nicht zu der Palette, die aufgenommen werden soll, oder in die richtige Position für automatische Auslagerung.
„In den meisten Hallen, wo wir Automatisierung implementiert haben, mussten die Fußböden nachträglich angepasst werden (durch Schleifen, Begradigen u. Ä.). Das ist mit nicht unwesentlichen zusätzlichen Projektkosten verbunden.“
Wifi
Obwohl die komplette Abdeckung des Lagers durch ein Funknetz einfach scheint, wird sie vielfach unterschätzt. In der Realität kann sie das Ergebnis des gesamten Projekts grundlegend beeinflussen. In der Logistik kommt es vor allem auf die Geschwindigkeit der Kommissionierung an, was eine schnelle Kommunikation zwischen dem Benutzer (Touch-Terminal) und dem Gabelstapler voraussetzt. Das Netzwerk muss auch die letzte Ecke im Lager abdecken, in die das VNA-Fahrzeug geschickt werden soll. Andernfalls drohen Ausfälle, was den gesamten Kommissionierungsprozess verlangsamt.
„Das Personal akzeptiert neue Gabelstapler leichter, wenn sie sich einfach bedienen lassen. Bei Netzwerkausfällen kann auch die Kommunikation mit dem VNA-Stapler abbrechen, was die neuen Technologien in ein negatives Licht rücken würde.“
Vorbereitung des Automatisierungsprojekts – Lager
Ob es um den Einsatz halbautomatischer VNA in bestehende Prozess oder die Errichtung eines neuen automatisierten Lagers geht, vor der Entscheidung über Details und Raffinessen der einzelnen VNA-Modelle sollte das Gesamtprojekt überdacht werden, vor allem Umfang der Integration und ihr Einfluss auf die Umgebung, Lagerungsweise sowie Typ der Handling Units.
Umfang der Integration
Projekte, bei denen es um die bloße Integration von VNA-Fahrzeugen ins WMS geht, sind relativ selten. Meist handelt es sich um eine komplexere Integration, bei der neben VNA-Fahrzeugen auch Folgetechnologien wie Förderer, Ampeln, Waagen und ähnliches zum Einsatz kommen. In diesem Fall muss der Integrator weitaus mehr Ausgangsparameter berücksichtigen, weil all diese Technologien so gesteuert werden müssen, dass die einzelnen Verrichtungen aneinander anknüpfen und keine mit finanziellen Einbußen einhergehenden zeitlichen Verzögerungen im Prozess auftreten. Dabei lässt sich nicht jede Lagertechnologie separat in Angriff nehmen, sondern muss das gesamte Lager als Ganzes berücksichtigt werden.
Lagerungsweise
Auch die Regale beeinflussen die Steuerung der Technologien, beispielsweise aufgrund ihrer Tiefe. Haben Sie einzelne tiefe Regale (Single Deep) oder zwei aneinandergereihte Regale (Double Deep)?
Bei Double Deep muss über die Gesamtstruktur der vorgesehenen Prozesse nachgedacht werden. Double-Deep-Positionen bieten zwar beachtliche Platzeinsparungen, bei Auslagerung einer Palette aus der hinteren Position müssen aber zusätzliche Transporte eingeplant werden. Die vordere Position muss frei gemacht und die Palette von dort an eine andere Position verbracht werden. Dies beeinflusst WCS-Design sowie Prozessaufbau, wenn die Software eine andere geeignete Position für die vordere Palette bei gleichzeitiger Beibehaltung der Lagerungslogik suchen muss. Sie sendet in diesem Fall eine Anweisung ans VNA-Fahrzeug zur Umlagerung der vorderen Palette und erst danach eine Anweisung zum Hervorholen der hinteren Palette. Bei der Systemkonfigurierung muss darüber hinaus die prozentuelle Lagerbelegung in der Weise berücksichtigt werden, dass immer ausreichend freie Positionen für derartige Umplatzierungen vorhanden sind. Aus diesem Grund wird nachdrücklich empfohlen, einen hohen Automatisierungsgrad zu konfigurieren und Benutzerentscheidungen zu minimieren. Das spart nicht nur Arbeit, sondern beschleunigt die Kommissionierung und verhindert Fehler.
Handling Units und Kommissionierungsverfahren
Bei jedem Projekt zur Implementierung von VNA-Fahrzeugen ist der Typ der Handling Units entscheidend. Sollen Einheiten, Boxen oder immer ganze Paletten kommissioniert werden? Der Typ der Handling Unit beeinflusst nicht nur die Auswahl der Technologie (VNA-Typ), sondern auch den für ihre Steuerung erforderlichen Prozessaufbau.
Werden stets ganze Paletten transportiert, lässt sich der Prozess vollständig automatisieren. Bei der Auslagerung von Boxen oder einzelnen Materialeinheiten bedarf es hingegen stets menschlicher Eingriffe. Das VNA-Fahrzeug kann ohne Interaktion des Benutzers nicht erkennen, ob die Auslagerung bereits erfolgt ist oder nicht. Die Bedienung muss die Einheiten physisch entnehmen, auf der VNA-Palette ablegen und die ausgelagerte Menge am Terminal des Fahrzeugs oder mittels Scanner eingeben oder bestätigen. Damit wird dem WCS der Abschluss des Auslagerungsprozesses signalisiert. Das System beendet die Aufgabe und schickt dem VNA-Fahrzeug die nächste Anweisung. Der beschriebene Prozess ist in der Regel noch komplexer, was Design und Konfiguration des Steuerungssystems anbelangt.
„Bedenken Sie das Gewicht der Handling Units, die ein VNA-Fahrzeug transportieren soll. Das Gewicht hat Einfluss auf die Bewegungsgeschwindigkeit des Fahrzeugs, vor allem in größeren Höhen. Kurzum, je schwerer die Handling Unit und je höher das VNA-Fahrzeug sie handhabt, desto langsamer die Bewegung. Dies muss im Prozessdesign insoweit berücksichtigt werden, dass der erforderliche Lagerdurchlauf gemäß den Kommissionierungsanforderungen gewährleistet ist.“
Vorbereitung des Automatisierungsprojekts – Personal
Ihrem internen Team kommt bei der Automatisierung eine Schlüsselrolle zu, darüber wurde bereits berichtet. Im Fall von VNA-Fahrzeugen geht es aber nicht nur um das Team, welches das Projekt leitet, sondern auch um die Bedienung der VNA-Fahrzeuge.
Bedienung/Nutzer
Beim Konfigurieren der Prozesse und im Rahmen der Entscheidungsfindung hinsichtlich des Automatisierungsgrades sollte auch an das für Logistik verfügbare Team gedacht werden. Wichtig sind Fluktuation und technische Fertigkeiten des Personals. Bei minimaler Fluktuation und verantwortungsbewussten und flexiblen Endnutzern im Lager bietet sich bei der Prozesseinrichtung ein gewisser Spielraum, mit dem besser auf Veränderungen und untypische Situationen reagiert werden kann.
Bei häufigen Personalwechseln empfiehlt sich hingegen ein höherer Automatisierungsgrad, wodurch die Einarbeitung neuer Mitarbeiter deutlich schneller geht. Im Grunde sollten Benutzereingriffe in den Prozess gleich Null sein oder minimal, lediglich auf Kontrollniveau, erfolgen.
„Bei Implementierung des Projekts ist mitunter Widerstand seitens der Mitarbeiter möglich. Wir haben erlebt, dass Benutzer angesichts der Prozesskonfiguration die Möglichkeit des Eingriffs in die gesteuerte Einlagerung hatten und über die Zielposition entscheiden und diese ändern konnten. Einer der User unterbrach die gesteuerte Einlagerung am VNA-Fahrzeug gezielt und verbrachte die Palette manuell an eine andere Position, als vom System vorgesehen. Neben personellen Konsequenzen musste der Prozess so angepasst werden, dass Eingriffe durch Benutzer ausgeschlossen waren.“
Gesamtkoordinierung des Projekts
Zu den schwierigsten Aufgaben in einem Automatisierungsprojekt mit Einfluss auf seinen Erfolg gehört die Gesamtkoordinierung der einzelnen Aktivitäten. Bei Projekten zur Lieferung und Steuerung von Technologien sind die Aktivitäten mehrerer Lieferanten eng miteinander verflochten, so dass die Tätigkeiten aller Implementierungsteams korrekt getimt und synchronisiert werden müssen. Andernfalls sind Verzögerungen des gesamten Projekts nicht auszuschließen.
Tritt tatsächlich ein Verzug auf, lässt sich das Projekt zeitlich staffeln, d. h. in einzelne Phasen und Prozesse unterteilen, und können Technologien etappenweise eingeführt werden. In diesem Fall muss allerdings mit Mehraufwand und Kosten für Änderungsverfahren gerechnet werden.
Soviel zum weiteren Kontext, in den die VNA-Fahrzeuge eingebunden sind. Im zweiten Teil werden wir uns Details ansehen, die mit den Gabelstaplern selbst zusammenhängen und berücksichtigt werden müssen.
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