Hinter dem Vorhang: Wie bei Škoda Auto eine neue robuste Logistik entsteht
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Die Anforderungen an die Fertigungslogistik ändern sich mit der Zeit, und diese Veränderung hat sich in den letzten Jahren mit den Begleiterscheinungen der COVID-19-Pandemie außergewöhnlich beschleunigt. Wie die größten tschechischen Automobilhersteller mit diesen Herausforderungen umgehen und wie sie sich auf weitere vorbereiten, erläuterte auf der Konferenz Trends in Automotive Logistics 2023 der Logistikleiter der Marke Škoda Auto David Strnad.
"Die komplizierte Situation der letzten Jahre hat sich nicht nur auf die Logistik von Škoda Auto ausgewirkt", sagt Strnad zu Beginn seiner Rede in Pilsen. Als Škoda Auto im Jahr 2014 erstmals die Marke von einer Million verkaufter Fahrzeuge überschritt, schien beim Wachstumstrend kein Ende in Sicht. 2020 aber legte die COVID-19-Pandemie die Produktion in Asien und die globalen Lieferketten lahm, was sich in der Automobilbranche in einem fatalen Mangel an Halbleitern manifestierte. Die Verkaufsziele rückten in weite Ferne.
„Als wir erfuhren, dass der Ausfall bei der Lieferung von Halbleitern sechs Monate dauert, wollten wir es nicht glauben. Lieferprobleme werden schließlich binnen Wochen, nicht binnen Monaten gelöst. Aus heutiger Sicht wären wir über nur sechs Monate froh gewesen", erklärt Strnad die Gründe für den drastischen Produktionsrückgang in der Automobilindustrie in Europa.
„Früher kam ein Kunde zum Händler und hatte drei Monate später sein Auto. Heute dauert es länger, aber wir nähern uns wieder dieser Schwelle", erklärt Strnad, wobei auch das auf die Auswirkungen der Halbleiter- und Logistikkrise zurückzuführen sei. Die nächsten beiden Jahre werden also eine Art Belastungsprobe sein, die das neu entstehende Modell der Fertigungslogistik bei Škoda Auto auf die Probe stellt. Wie genau sieht es aus?
Robuste statt schlanke Logistik
Die Komplexität des gesamten Prozesses verdeutlicht Strnad anhand der Tatsache, dass in den beiden tschechischen-Werken Mladá Boleslav und Kvasiny täglich 3 500 Lastwagen eintreffen. Genauso hoch ist bei voller Kapazität die täglich produzierte Fahrzeugmenge. Das Unternehmen bezieht Teile von 1 600 Lieferanten und kauft täglich 38 000 Teile ein. Bei derartigen Mengen muss die Unternehmenslogistik natürlich absolut fehlerfrei funktionieren.
Vor der COVID-19-Pandemie strebte Škoda Auto eine schlanke Logistik und die Minimierung von Lagerbeständen an. Das war nach Aussage von Strnad eigentlich ein ideales Umfeld. Und heute? Statt der früheren 11 Programme, eine Art Produktionsszenarien, gibt es nun 45. Die Lagerkapazitäten wurden um 60 Prozent erweitert, um drohende Lieferausfälle abzufedern. Das Ideal der Schlankheit wurde durch das Ideal der Robustheit ersetzt.
Zuverlässigkeit muss das Grundmerkmal in allen drei logistischen Segmenten sein: Inbound-, Inhouse-und Outbound-Logistik. Dies soll durch Digitalisierung und Automatisierung gewährleistet werden. Einige Implementierungsprojekte laufen bereits, andere werden gerade umgesetzt, weitere befinden sich in Vorbereitung.
Inbound – Integration dank SAP S/4HANA
„Eines der großen Projekte im Inbound-Bereich ist die Einführung von SAP S/4HANA. Wir möchten künstliche Intelligenz zur vollständigen Steuerung der Logistikkette, des Transports und der Materialbestellungen sowie für die Visualisierung des gesamten Prozesses, einschließlich des Transports direkt ins Werk zur Montagelinie, nutzen. Ein Grund dafür ist, dass wir ein standardisiertes System für die ganze Unternehmensgruppe, nicht nur für Škoda Auto, wollen. Die spezifischen Anforderungen jedes Werks waren bei der Einführung von SAP eine große Herausforderung“, beschreibt Strnad. Das Projekt zur Implementierung dieses ERP-Systems dauert bereits vier Jahre, wird nach seinem Abschluss in 40 Werken des Volkswagen-Konzerns laufen und 23 bestehende Systeme ersetzen. In Tschechien soll es im Oktober 2023 zunächst in der Komponentenproduktion in Vrchlabí an den Start gehen.
Darüber hinaus möchte man künstliche Intelligenz im Tracking des Lagerbestands einsetzen. „Heute wissen wir nicht genau, welcher Fahrer kommt, wo genau sich der LKW befindet, ob er rechtzeitig eintrifft. Der gesamte Prozess wird von Menschen gesteuert. In der Zukunft wird die künstliche Intelligenz alle Daten sammeln, diese auswerten und jeden LKW tracken, wobei sie aus der Produktion weiß, was Priorität hat. Eine weitere Änderung wird die digitale Durchfahrt sein, damit der Fahrer keine Dokumente ans Tor bringen muss. Das wird sowohl Ein- als auch Ausgänge betreffen. Daran arbeiten wir jetzt intensiv“, stellt Strnad die Modernisierung der Logistik vor. Im kommenden Jahr soll alles fertig sein.
Zwar geringfügig, dennoch bedeutsam waren auch Korrekturen, die Škoda in der Waze-Navigation vorgenommen hat, was vor allem auswärtigen Fahrern bei der Orientierung in den Škoda Auto-Werken hilft.
Inhouse – automatische Batterieverladung
Was die Automatisierung der Inhouse-Logistik betrifft, hat Škoda Auto bereits zuvor ein KLT-Lager eingeführt, das einen vollständig automatisierten Ein- und Ausgang, autonomes Materialhandling und Kameras zur Erkennung von KLT-Umrissen umfasst. Dieses Projekt wurde 2017 gestartet. Das Unternehmen hat zwei Lager gleichzeitig implementiert und damit Kosten gespart.
Ein neueres Projekt ist das vollautomatisierte Batterielager. „Vor etwa einem Jahr begannen wir mit der Montierung von Batterien für den Enyaq, wobei wir Module erhalten und daraus Batterien fertigen. Diese verteilen wir nicht nur innerhalb unseres Werks, sondern versenden sie auch im Rahmen des Konzerns. Hierbei haben wir erstmals eine automatische Verladung realisiert, sowohl auf einen LKW als auch auf einen Zug. Die LKWs liefern im Werk aus, die Züge innerhalb des Konzerns", erklärt Strnad und fügt hinzu, dass dieser Prozess keine Intervention durch einen Mitarbeiter erforderlich macht. (Die Lösung wurde im Juni dieses Jahres mit dem VDA-Award ausgezeichnet - Anm. der Redaktion)
Outbound – Fahrzeuge findet Atlas
Beim Absatz ist keiner völlig unabhängig, was auch für Škoda Auto gilt. Das Unternehmen ist auf ein reibungsloses Funktionieren der Transportwege angewiesen. Aber auch hier wird Optimierung und Automatisierung angestrebt. Eines dieser Werkzeuge ist die Lösung Atlas Dezentral, welche einzelne hergestellte Fahrzeuge lokalisiert, anzeigt, welche ausgeliefert werden sollen, und die Spediteure entsprechend informiert. Nach Aussage von Strnad sind Digitalisierung und Automatisierung auch in diesem Bereich die Grundpfeiler der Robustheit des Logistikprozesses.
Logistik 2025
Bis zur Mitte dieses Jahrzehnts plant Škoda Auto die Eröffnung eines neuen Logistikzentrums an der Autobahn D10. Der innerbetriebliche Transport soll durch autonome Lastwagen sichergestellt werden, ein weiteres autonomes Transportmittel wird die produzierten Fahrzeuge befördern. Die Autofabrik arbeitet außerdem an einem Projekt für einen teilautonomen Lastwagen für den internationalen Verkehr, dessen „Fahrer“ im Büro sitzt und mit Hilfe mehrerer Bildschirme bis zu fünf Fahrzeuge ferngesteuert lenkt.
Was wurde noch bei Škoda Auto realisiert und was ist bis Ende dieser Dekade geplant? Darüber sprach David Strnad auf der TAL 2023.
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