Sie brauchen kein Software‑Unternehmen. Sie brauchen eines, das befähigt.

Sabina Eretová Aimtec
27. 7. 2023 | 8 Minuten Lesen

Welche überlebenswichtige Fähigkeit fehlt der Automobilindustrie? Warum sind bei der Digitalisierung Menschen entscheidend und warum reicht in der heutigen Welt Software allein nicht aus? Auch darum geht es im Gespräch mit Jaroslav Follprecht und Roman Žák, den Gründern und Inhabern der Firma Aimtec.

Sie sagen, ein Unternehmen benötigt nicht einfach weitere Software, sondern echte Fähigkeiten. Ist es von einem IT-Unternehmen nicht ziemlich gewagt zu behaupten, dass Software allein nicht ausreicht?

Follprecht: Hierbei muss man mit der Geschichte und der Frage beginnen, wie dem Kunden erklärt werden kann, was wir tun. Wir haben uns eine einfache Bezeichnung zunutze gemacht: digitale Fabrik. Diese liefern wir mithilfe fortschrittlicher Tools, die für das Konzept der digitalen Lieferung stehen. Außerdem haben wir bereits vor 25 Jahren damit begonnen, unser Know-how zu speichern und aufzubewahren. Wir sind also bei drei Säulen gelandet – digitale Fabrik, digitale Lieferung und Experten-Know-how, auf denen wir unsere Projekte aufbauen.

Žák: Wie viele Unternehmen heutzutage tendierten auch wir dazu, über uns selbst zu sprechen. Da wir aber schon 25 Jahre in die genannten Säulen investieren, haben wir eine einzigartige Fähigkeit entwickelt. Wir können termingerecht, in hoher Qualität und zu einem guten Preis liefern, was in der IT-Branche durchaus nicht gang und gäbe ist. Vor allem aber wissen wir, dass der Kunde mit dem Projekt eine reale Wertschöpfung erzielen möchte. Die Projekte müssen für ihn nicht nur von Anfang an, sondern auch Jahre später noch nützlich sein, und er muss die Möglichkeit haben, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dadurch erlangt er die Fähigkeit, in der heutigen rauen Welt zu überleben. Das gilt besonders für die Automobilbranche, wo oft gegensätzliche Anforderungen zu erfüllen sind. Standardisiert und gleichzeitig flexibel sein. Agil sein, aber gleichzeitig einer langfristigen Strategie folgen. Durch die Digitalisierung erhält der Kunde die Fähigkeit, genau so zu funktionieren.

Ability company

Der Schlüssel zum Erfolg auf dem Markt besteht darin, anders zu sein, etwas anderes als die Mitbewerber anzubieten. Worin unterscheidet sich Aimtec also von der Konkurrenz?

Follprecht: Diese Frage stellen wir unseren Kunden regelmäßig. Sie antworten, dass wir sie verstehen, dass unsere Mitarbeiter mit Begeisterung bei der Sache sind und dass wir immer einen Schritt weiter gehen, als es in der Branche üblich ist. Dies haben wir im Slogan „Ability Company“ zusammengefasst, denn so sehen wir unsere Rolle. Das Ziel besteht nicht darin, nur Software oder Technologie bereitzustellen, sondern den Kunden in die Lage zu versetzen, unter schwierigen Bedingungen nachhaltig zu funktionieren. Ihm die Fähigkeit zu verleihen, agil zu handeln, um Anstrengungen und Energie für die wichtigsten Veränderungen aufbringen zu können. Ihm die Möglichkeit zu geben, flexibel zu sein. Heute investiert man in Technologie enorme Summen mit einem bestimmten Ziel, aber bevor sie zum Einsatz kommt, hat sich das Ziel bereits verschoben, und die Lösung muss im Projektverlauf angepasst werden. Drittens soll der Kunde gleichzeitig zur Standardisierung befähigt werden, wobei es darum geht, weltweit auf die gleiche Weise und in der gleichen Qualität zu produzieren.

Žák: Und noch eine wichtige Sache. Unternehmen konzentrieren sich heute bei der Digitalisierung zu sehr auf Technologie, in Wirklichkeit aber basieren sie auf Menschen. Wir bringen Know-how und digitale Kompetenz mit. Die Unternehmen unserer Kunden sind nicht nur deshalb wettbewerbsfähig, weil sie die besten Systeme haben, sondern auch, weil sie Teams aufbauen, die über die Fähigkeit zur Digitalisierung verfügen und sie weiterentwickeln können. Gerade beim Aufbau solcher Teams leisten unsere Mitarbeiter Unterstützung.
 

Erfahrungen und Know-how kann nur vermitteln, wer selbst darüber verfügt. Sie haben erwähnt, dass Sie Know-how seit über 25 Jahren ansammeln. Wie lautet Ihr Rezept?

Žák: Ich denke, das ist im Grunde Teil unserer Unternehmenskultur und unserer Werte. Der Wissens- und Erfahrungsaustausch hat bei uns einen hohen Stellenwert. Keiner kocht nur sein eigenes Süppchen. Darüber hinaus befolgen wir „Thinking Beyond“ und schauen also über den Tellerrand hinaus. Obwohl sich unsere Mitarbeiter spezialisieren müssen, bringen wir ihnen eine ganzheitliche Herangehensweise bei, damit sich ein perfektes Zusammenspiel ergibt.

„Wir verfügen über ein sehr ausgeklügeltes internes Schulungssystem, das ermöglicht, unser Fachwissen effizient zu speichern und zu bewahren. Was aber noch wichtiger ist: Wir sind in der Lage, dieses Wissen und Know-how untereinander weiterzugeben und damit auch unseren Kunden zur Verfügung zu stellen.“

Jaroslav Follprecht, CEO und Mitgründer von Aimtec

Ihr Geschäft dreht sich um Digitalisierung und digitale Fabriken. Automotive ist eine schwierige Branche, die mit Riesenschritten voranschreitet und oft als Vorbild für alle anderen herhält. Konzentrieren Sie sich deshalb vor allem auf sie?

Žák: Sicherlich ist es eine Branche, die im Vordergrund steht. Unser Fokus hat jedoch mehrere Gründe.

Follprecht: Die Automobilindustrie ist stark standardisiert, nicht nur durch verschiedene Normen, die ständig mehr werden, sondern auch aus Sicht der internen Abläufe. Die Lieferkette hat mehrere Stufen. Wenn irgendwo Autos hergestellt werden, fertigt jemand die Sitze und ein anderer die Komponenten für diese Sitze. Das erfordert Koordinierung dahingehend, dass für ein Fahrzeug zum richtigen Zeitpunkt alle gleichen Sitze eintreffen und die gesamte Lieferkette synchronisiert wird. Und genau dabei können wir helfen.
 

Heute ist oft von einer Polykrise die Rede, wenn also eine Krise in die nächste übergeht. Darüber hinaus steht die Autoindustrie vor neuen Herausforderungen, wie Elektromobilität oder Chipmangel. Was für einen Einfluss hat das auf Aimtec? Wie sehen Sie diese Veränderungen bei den Kunden?

Follprecht: Paradoxerweise spielen uns die derzeitige unsichere globale Situation und die Unterbrechung der Lieferketten in die Hände. Hersteller sind gezwungen, äußerst flexibel zu reagieren, was ohne Digitalisierung unmöglich ist.

Žák: Die Krisen der letzten Jahre haben der Automobilindustrie stark zugesetzt. Während vor vier oder fünf Jahren Standardisierung der Schlüssel war, herrscht heute umgekehrt Druck auf Agilität und Flexibilität. Hier liegt der Vorteil darin, dass unsere Systeme überdurchschnittlich konfigurierbar sind und den Benutzern die Möglichkeit geben, sich wirklich flexibel anzupassen.


You don't need a software company. You need an ability company.


Sie sind seit 25 Jahren auf dem Markt. Die Technologien haben in dieser Zeit gewaltige Fortschritte gemacht, die sich im Grunde immer weiter beschleunigen. Wie sehen Sie die künftige Entwicklung, insbesondere in der Automobilbranche?

Žák: Bis Ende 2030 sollen bereits zwei Drittel aller produzierten Fahrzeuge Elektroautos sein, weshalb sich die gesamte Branche neu ausrichten muss. Das hängt aber nicht nur mit der Änderung eines Teils der Fertigungsstraße zusammen. In Elektroautos gibt es weitaus mehr Chips, deren Verfügbarkeit sichergestellt werden muss. Europa hat aber in diesem Bereich Know-how eingebüßt. Die Batterieproduktion geht mit einem Kampf um die notwendigen Rohstoffe einher, die immer stärker von China kontrolliert werden. Meines Erachtens dürfte es zunehmend an erforderlichen Personal fehlen. In der Zukunft wird Flexibilität im Mittelpunkt stehen.

Follprecht: Man muss auch die damit einhergehenden geopolitischen Zusammenhänge beachten, denn zur Fertigung eines Elektroautos bedarf es nicht der gleichen historischen Erfahrung wie bei der Produktion eines Verbrenners. In puncto Verbrennungsmotoren war Europa absoluter Marktführer, aber bei Elektroautos hat China heute die Nase vorn und ist in der Lage, sie viel effizienter herzustellen. Das wird die europäischen Hersteller zwingen, noch stärker zu automatisieren als heute. Der massive Einsatz von Technologien in allen Handlungsabläufen wird sich fortsetzen. Roboter, automatisierte Lager und ähnliche Technologien werden vermehrt Einzug halten.

Gibt es irgendeine neue Fähigkeit, die sich im Gegenzug Aimtec aneignen muss, um künftig in der sich dramatisch verändernden Welt und in der Automobilbranche bestehen zu können?

Follprecht: Wir werden mit Sicherheit lernen müssen, mit künstlicher Intelligenz zu arbeiten. Auf unserer Konferenz habe ich von einem der Teilnehmer einen Ratschlag hinsichtlich der Verbesserung von Software bekommen: „Ganz einfach, man hat eine Software und weiß, unter welchen Bedingungen sie zum Einsatz kommen soll. Rat holt man sich bei ChatGPT.“ Das war zwar halb im Scherz gemeint, aber auf Derartiges schreiten wir zu.

Žák: Wir sollten auch weniger abgehobene Trends nicht übersehen, wie die zunehmende Verlagerung aller Lösungen in die Cloud. Das gilt heute bereits als Selbstverständlichkeit, weil eine immer höhere Flexibilität verlangt und durch die Cloud geboten wird. Unsere Kunden müssen sich stärker auf ihr Geschäft orientieren. Sie werden sich nicht mehr um die Infrastruktur kümmern, diesen Service erledigen wir für sie. Das Schwierigste ist die Vorgabe, d. h. die Vermittlung dessen, was IT für die Erfordernisse des Geschäfts leisten soll. Darüber hinaus geht es heute bei aller Digitalisierung und Automatisierung um die Hinwendung zu einem ganzheitlichen Lösungsansatz. Sobald sich nämlich das Rad ins Getriebe einfügt, wie beispielsweise eine intelligent an die Umgebung gekoppelte Automatisierung, bringt sie weitaus mehr als eine isolierte Insellösung.
 

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