Lieferkette umgekehrt: SEAT beginnt beim Endkunden
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Bei den Lieferketten halten innovative Technologien und Digitalisierung Einzug. Aus diesem Grund kann auf traditionelle Abläufe verzichtet werden, wie der Vortrag der Vertreter von SEAT:CODE auf der in Pilsen stattgefundenen Konferenz Trends in Automotive Logistics (TAL) 2021 belegt.
Paul Palmero Martinez und José Marín Ruiz sind Manager der Firma SEAT:CODE, eines Digital Labs mit rund 200 Entwicklern im Rahmen des Automobilherstellers SEAT. Die Aufgabe des Unternehmens besteht darin, künftige Wege für den Fahrzeugproduzenten im Digitalisierungsbereich sowie neue Technologien ausfindig zu machen. Seine Entstehung wurde maßgeblich durch Luca di Melo, dem aktuellen Generaldirektor von Renault, beeinflusst. Das „Labor“ liefert bereits Ergebnisse. Eines davon besteht in der revolutionären Neuausrichtung der gesamten Lieferkette bei SEAT.
Nachfrage erkennen
„Wie wir wissen, durchläuft die Automobilindustrie einen großen Wandel“, stellt Martinez einleitend fest. Einige setzen sich schneller, andere langsamer durch. Ihr gemeinsamer Nenner ist aber das natürliche Bemühen, sich neuen Kunden, dem Umfeld, politischen und gesellschaftlichen Faktoren anzupassen und dabei den technologischen Fortschritt zu nutzen.
In Bezug auf Digitalisierung sprechen wir primär von einer Gesamttransformation des Unternehmens, und nicht von einer Teilimplementierung digitaler Innovationen, führt Martinez weiter aus. Die Transformation kann in zweierlei Richtung erfolgen: von unten oder von oben. Das Problem bei der Durchführung von oben besteht nach Auffassung von Martinez darin, dass sich implementierte Neuheiten oft nicht an den Marktbedürfnissen orientieren. Daher beruhen tatsächlich erfolgreiche Transformationen quasi immer auf der Nachfrage der Endnutzer. Ruiz erinnert daran, dass es bei der Digitalisierung nicht um einen konkreten Prozess, sondern eine ganze Serie von technologischen Trends geht. Als wesentlichste sieht er Daten, die seiner Meinung nach das neue Gold sind. „Daten lassen sich verkaufen, analysieren, sie helfen uns beim Erreichen unserer Ziele“, erläuterte Ruiz und zeigte im Anschluss die Stärke korrekt ausgewerteter Daten auf. Aber woher nehmen? Martinez nennt die Verarbeitung von Quellen aus SAP, Excel-Tabellen, aber vor allem EDI-Nachrichten von Lieferanten. Gerade die EDI-Kommunikation ist ein Grundbaustein, welcher sich in ständiger Entwicklung befindet. Kommt es zu ihrer Einbindung in eine logisch funktionierende Kette weiterer Verfahren der Datenkommunikation, ist die Arbeit mit Daten in Echtzeit möglich.
Die gesamte Präsentation in englischer Sprache:
Der Kunde an erster Stelle
Ruiz beleuchtet die Änderungen in der Gesamtkonzeption der Lieferkette der SEAT-Gruppe: „Normalerweise gestaltet sich die Produktion so, dass die Firmen mit einer Prognose beginnen und bemüht sind, verfügbare Kapazitäten maximal zu nutzen, es folgt die Distribution, und erst am Ende steht der Kunde. Wir drehen diesen Prozess um und starten mit dem Kunden. Da sich die Kundenpräferenzen ändern, dauert es im traditionellen Konzept relativ lange, bis die Information an den Anfang gelangt und die gesamte Kette auf die Veränderung reagiert. Dadurch wird unnötig eine Menge Geld ausgegeben. Wenn wir aber beim Kunden und seinen Bedürfnissen beginnen, wissen wir im Voraus, was nachgefragt wird. Wir haben eine bessere Vorstellung vom Vertrieb und der Bereitstellung von Ressourcen.“ Das klingt simpel, aber wie lässt sich feststellen, was der Kunde wünscht?
Alles beginnt im Internet
SEAT:CODE hat sein Web nach dem Konzept „customer first“ aufgebaut. „Der Kunde kommt auf das Webportal, wo er auswählt, was für ein Auto er möchte, welche Farbe und weitere Spezifikationen. Das bildet die Grundlage für alle weiteren Glieder der Kette. Zuerst registriert der Vertrieb die Anfrage und gibt sie der Produktion in Auftrag. In der Produktion weiß man, welche konkrete Spezifikation gefertigt werden soll, welche Teile benötigt werden usw.“, erläutert Ruiz, wobei letztendlich eine Einsparung in Planung und Materialbeschaffung von den Zulieferern erzielt wird. Auch sie haben Zugriff auf die Webseite, was die Lieferung effektiver macht. Als Beispiel können Mikrochips herhalten, bei denen in den letzten Monaten ein Mangel herrscht. Dieses Tool hilft sicherzustellen, dass nur Fahrzeuge auf den Markt kommen, an denen tatsächlich Interesse besteht. „Das funktioniert auch umgekehrt. Ist der Lieferant nicht in der Lage, irgendein Teil bereitzustellen, kontaktieren wir den Kunden und bieten ihm eine Alternative an“, führt der spanische Manager fort.
Wie im Spinnennetz
Eine weitere Innovation von SEAT:CODE ist ein „Kontrollturm“, dessen Zweck im Monitoring der Prozesse in der Lieferkette besteht. Dabei handelt es sich nicht nur um ein „Spielzeug“ für Firmenmanager, „die große Bildschirme mögen“, ein Bestandteil sind vielmehr auch Web- und mobile Anwendungen, mittels derer die Kunden verfolgen, in welcher Phase sich ihre Bestellung aktuell befindet, oder ggf. Modifizierungen vornehmen können. Jeder Kunde, der ein Fahrzeug bestellt, erhält einen spezifischen Code, mit dem er Zugriff auf seine Bestellung hat.
Das System funktioniert also ähnlich wie ein Spinnennetz. Wenn in einem Bereich etwas passiert, wissen alle Beteiligten sofort Bescheid.
Aus Sicht des Vertriebs besteht der Nutzen dieses Systems darin, dass es einen perfekten Überblick über den aktuellen Vorratsbestand bei jedem Händler und an jedem Umschlagplatz bietet. Gleichzeitig verfolgt es auch die Bewegung aller LKWs der Lieferanten von Autoteilen. Die Zulieferer selbst können sich dem System anschließen. Die Fertigung und Versorgung mit Teilen wird dann nicht tages-, sondern stundengenau kalkuliert. Sobald in einer Stufe der Kette Komplikationen, Materialknappheit, Änderungen der Spezifikation und ähnliches auftreten, informiert der Kontrollturm die zuständigen Stellen durch eine Altert-Meldung. Das System funktioniert also ähnlich wie ein Spinnennetz. Wenn in einem Bereich etwas passiert, wissen alle Beteiligten sofort Bescheid.
Der gesamte Prozess funktioniert aufgrund des Datenstroms durch die Kette vom Kunden zu den Teilelieferanten. In der Gegenrichtung kommt es schließlich in sparsamer und effektiver Weise zur Entstehung und schrittweisen Bewegung des Produkts zum Kunden, der genau das erhält, was er bestellt hat. Zu Beginn seines Vortrags stellte Ruiz die Frage: „Warum digitalisieren?“ Und er bot auch die Antwort: „Weil wir den Gewinn steigern wollen. Aber jeder muss für sich die richtige Lösung finden“, sagte der Manager. Bei SEAT hat man sie gefunden.
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Marek Šabatka
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