Vom Pilotprojekt bis in den Betrieb: Wie Škoda Auto KI in der Logistik implementiert
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Wie bewältigt man 3 500 LKWs pro Tag, 93 Logistiksysteme und einen sprunghaften Anstieg der Datenmenge? Škoda Auto setzt auf eine Kombination aus Digitalisierung, Standardisierung und gezielter Nutzung künstlicher Intelligenz. Mojmír Barák, Koordinator für Logistiksysteme, zeigte auf der Konferenz Trends in Automotive Logistics 2025 auf, wie der Automobilhersteller KI aus dem Labor in den realen Betrieb überführt, und erläuterte, wie er das Vertrauen der Menschen in neue Technologien stärkt.
KI verändert die Logistik
Škoda Auto produziert derzeit zwölf Fahrzeugmodelle, darunter zwei reine Elektroautos, und hat 2024 insgesamt 927 000 Fahrzeuge auf den Markt gebracht. Damit belegt das Unternehmen Platz vier beim Verkauf auf dem europäischen Markt. Täglich passieren 3 500 LKWs die Werkstore und fahren fast 3 900 fertige Autos zu den Kunden.
Dahinter steht ein umfangreiches Netzwerk aus Prozessen und Systemen. In der Logistik werden 93 Systeme genutzt, und allein in den letzten zwei Jahren wurden 76 Änderungen an ihnen vorgenommen. Dabei ist das Datenvolumen in fünf Jahren um mehr als 600 % gestiegen. „Wir betrachten jede neue Technologie als Proof of Concept, d. h. wir testen ihre Funktionalität und Eignung in einem kleineren Projekt und bringen sie schrittweise an das Geschäft heran – beispielsweise über Pilotprojekte bis hin zu unserem Digital Delivery Center. Wir gewinnen das Vertrauen der Menschen, dass ihnen KI wirklich hilft. Selbst ein Lagerarbeiter weiß heute, dass er sich auf pünktliche Materiallieferung verlassen kann“, beschreibt Mojmír Barák.
Große Ziele, große Herausforderungen
Die Digitalisierung bei Škoda Auto verläuft nicht ohne Hindernisse. Die Logistik basiert auf dutzenden Systemen und Plattformen, von denen viele bereits seit Jahrzehnten in Betrieb sind. Obwohl „ausgereift“ und nach wie vor zuverlässig, fehlt Personal für ihre Wartung. Außerdem sind sie nicht in die Cloud übertragbar, was die weitere Entwicklung limitiert. Hinzu kommen veraltete Prozesse, die Innovationen bremsen. Die Lösung lautet Standardisierung. Ähnliche Betriebe erhalten einheitliche Tools, um die Verwaltung zu vereinfachen und die Effizienz im gesamten Unternehmen zu unterstützen.
Eine Herausforderung stellen oft übertriebene Erwartungen dar – Technologien funktionieren unter Laborbedingungen perfekt, im realen Betrieb haben wir es aber mit weitaus mehr Variablen zu tun.
Mojmír Barák, Koordinator für Logistiksysteme, Škoda Auto
Von EDI bis hin zu KI-Agenten: konkrete Projekte
Den ersten großen Schritt in Richtung Einsatz künstlicher Intelligenz in der Logistik machte Škoda Auto 2019, als das Unternehmen mit der Optimierung der Containerbeladung begann. Damals handelte es sich um eine zeitaufwändige Arbeit. Die Mitarbeiter berechneten die Kombinationen manuell, jedes Team hatte seine eigenen Makros in Excel, die Ergebnisse wurden dann in PowerPoint zusammengestellt. Es gab Tausende von Möglichkeiten, und die Suche nach der optimalen Variante nahm viel Zeit in Anspruch. Heute erledigt diesen Prozess die KI, die das Gewicht, die Form und die Beschaffenheit des Materials kennt und in der Lage ist, Sackgassen bei Berechnungen auszuschließen und nur aussichtsreiche Varianten weiterzuverfolgen. Das System lernt ständig dazu, liefert transparente Ergebnisse und ermöglicht es, genau das Material zu planen, das in Zukunft tatsächlich benötigt wird.
Ähnlich verhält es sich mit der Verpackung – beim Versand von mehr als 5 100 Containern pro Jahr nutzt man historische Daten, Materialpreise und Verpackungsgrößen, um die ideale Lösung zu finden. Tests zeigen, dass dieser Ansatz funktioniert, weshalb ihn der Automobilhersteller weiterentwickelt.
Beispiele für weitere aktuelle KI-Projekte sind:
- Optimierung des Versands und von Lieferwegen – KI ermittelt die optimale Route und das Harmonogramm, damit das Material genau und rechtzeitig dort eintrifft, wo es benötigt wird.
- Einsatz von dialogorientierten LLM-basierten KI-Agenten (Cognigy-Dienst) für die schnelle Kommunikation mit Lageristen und Lieferanten.
Ein wichtiger Rahmen für all diese Projekte ist die langfristige Einführung von SAP und die Umstellung auf die Cloud, die eine bessere Arbeit mit Daten und deren Standardisierung unterstützt.
KI mit echtem Nutzen, keine Effekthascherei
Die Erfahrung von Škoda Auto zeigt, dass Technologie nur ein Teil des Erfolgs ist. Genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger, ist die Arbeit mit den Erwartungen und den Menschen, die sie nutzen sollen. „Eine Herausforderung stellen oft übertriebene Erwartungen dar – Technologien funktionieren unter Laborbedingungen perfekt, im realen Betrieb haben wir es aber mit weitaus mehr Variablen zu tun“, sagt Barák.
Deshalb hat jede Innovation ihren eigenen Zyklus. Vom Proof of Concept geht es weiter zum Pilotprojekt und anschließend zum Einsatz im Digital Delivery Center. Dieser Ansatz ermöglicht es, Nutzen und Risiko schnell zu beurteilen, Details zu optimieren und die Lösung erst dann zu erweitern. Das hat sich beispielsweise bei der Einführung von KI zur Optimierung des Containertransports bewährt – jedes erfolgreiche Projekt bringt nicht nur Zeit- und Geldersparnis, sondern auch neue Erkenntnisse, die beim Testen weiterer Innovationen genutzt werden können.
Menschen als entscheidender Erfolgsfaktor
Mojmír Barák betont, dass keine Technologie allein die Logistik retten kann. „Wenn eine Neuerung eingeführt wird, gibt es bei uns immer Leute, die begeistert sind – das schätze ich sehr. Ihnen ist zu verdanken, dass die Neuerung in die Community gelangt, zu Experten, und wir geben das Know-how weiter“, erklärt er. Jede Innovation entsteht möglichst nah am Geschäft, und kontinuierlich werden Experten geschult, die sie dann im Unternehmen begleiten.
KI in der Logistik: Die Zukunft (nicht nur) laut Gartner
Nach Schätzungen der Firma Gartner werden 2028 bis zu 15 % aller Entscheidungen in Unternehmen von künstlicher Intelligenz getroffen werden. Škoda Auto nähert sich dem Schritt für Schritt, nicht nur durch die Einführung neuer Technologien, sondern auch durch ihre Verknüpfung mit Prozessen und Menschen.
Das Ziel ist nach Aussage von Mojmír Barák eine datengesteuerte Logistik, welche die Fragmentierung der bestehenden Systeme ausräumt. Das ist von entscheidender Bedeutung, weil die Anzahl der Datenintegrationen bei Škoda Auto jährlich um rund 50 % steigt. Für die Zukunft setzt man daher auf eine effiziente Nutzung des SAP-Systems, die sinnvolle Einbindung von künstlicher Intelligenz und die Entwicklung von KI-Agenten und KI-Operatoren, die tägliche Entscheidungen beschleunigen und vereinfachen können. Der pragmatische, den Weg vom Proof of Concept zum Routinebetrieb nutzende Ansatz bleibt somit die Hauptstrategie, um die Logistik wettbewerbsfähig und für weiteres Wachstum gerüstet zu halten.
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