Change Management bei REHAU Automotive: Digitale Transformation in der Praxis

Michaela Fronk Cutlacová Aimtec
27. 2. 2025 | 7 Minuten Lesen

Wie kann man sein Unternehmen und sein Geschäft am effektivsten weiterentwickeln? Michael Colberg, Chief Operations Officer bei REHAU Automotive, hat eine klare Antwort: Digitalisierung. In einem Vortrag auf der Konferenz Trends in Automotive Logistics (TAL) 2024 präsentierte er seine Sicht auf die Dinge und plädierte für einen pragmatischen Umgang mit dem Thema. Demnach sei Digitalisierung keine große Sache. „Also keine Angst, einfach loslegen!“, ermuntert der Manager, der seit drei Jahrzehnten in der Automobilbranche tätig ist. 

REHAU Automotive beschäftigt rund 7 000 Mitarbeiter an 25 Standorten auf der ganzen Welt und liefert Autoteile an international führende Hersteller. Als Chief Operations Officer fühlt sich Colberg dafür verantwortlich, dass vor allem praxisnahe Lösungen im Unternehmen adaptiert werden können. Er bezeichnet sich selbst als leidenschaftlichen Nutzer der Digitalisierung und sieht sie als Chance, die Arbeit und Organisation voranzubringen. „Bei REHAU Automotive steuern wir die Digitalisierung in drei Bereichen“, verriet Colberg.

Der erste Bereich ist die Digitalisierung von Informationen bzw. einer zu stark fragmentierten IT-Umgebung. Der zweite Bereich ist die robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA), die die Standardisierung von Prozessen, den gesamten Bereich der finiten Elemente, also die Anwendung numerischer Modelle in der technischen Produktion, sowie das Datenmanagement umfasst. Der dritte Bereich ist die künstliche Intelligenz. „Aus Sicht der KI interessiert uns, wie wir unsere Technologien und Prozesse weiterentwickeln können“, anschließend erläuterte Colberg diese drei Bereiche anhand von fünf konkreten Beispielen. Die Ziele sind also definiert, jetzt noch das richtige Mindset. Laut Colberg lautet die erhoffte Antwort der Verantwortlichen „Warum nicht?“ und nicht etwa „Ja, aber...“, denn Letzteres bedeutet immer Hindernisse.

Man muss nicht mit der kompliziertesten Sache der Welt anfangen. Schnelle und praktikable Lösungen sind gefragt, teure und langfristige machen alle Bemühungen zunichte.

Michael Colberg , Chief Operations Officer,  REHAU Automotive

Einfache Integration

Die Digitalisierung der Informationen besorgte das Integrationstool Maturity Level App, welches Informationen aus einzelnen Systemen erfasst und das Management von Kundenprojekten ermöglicht. „Mit den von einzelnen Teams eintreffenden Informationen kann sofort gearbeitet werden. Die App ist auch mit Teamcenter, einer Engineering-Lösung von Siemens, verknüpft. Ein weiteres Tool sammelt alle relevanten Informationen zu Projekten, außerdem gibt es ein Projektportfolio. Wir haben eine Ampel, die den Status der Projekte anzeigt. Diese App kann auch auf dem Handy oder über eine Webschnittstelle genutzt werden“, sagt Colberg und fügt hinzu, dass mehr als 1 000 Mitarbeiter von REHAU Automotive aus verschiedensten Abteilungen Zugriff auf die App haben.

Colberg betont, dass bei Digitalisierungsprojekten wichtig ist, sie langsam anzugehen. „Man muss nicht mit der kompliziertesten Sache der Welt anfangen. Schnelle und praktikable Lösungen sind gefragt, teure und langfristige machen alle Bemühungen zunichte. Die erfolgreiche Implementierung eines einfachen Systems ermutigt das Team für die nächste Phase“, erläutert er.

Der Kern des digitalen Produktionsmanagements

Ein weiteres Ergebnis der ersten Phase des Digitalisierungsprozesses war OPS Analytics, ein Tool zur Auswertung, Visualisierung und Überwachung betrieblicher KPIs auf der Basis eines gewöhnlichen Browsers. Auch hier war die Motivation, vor allem zu integrieren. „Als ich 2020 zu REHAU Automotive kam, hatte jeder seine eigene Visualisierung, sein eigenes KPI-Tracking, bei jedem war es anders. Es gab keinen Standard, mit dem man die Leistung der einzelnen Werke wirklich hätte vergleichen können. Deshalb habe ich vorgeschlagen: Lasst uns einen großen ‚Data Lake‘ einrichten, alle Daten darin speichern und aussagekräftige Ergebnisse abrufen, auf die man vom Computer, Tablet und Handy zugreifen kann. Und zwar so, dass diese Daten relevant sind und ohne manuelles Eingreifen in Echtzeit gespeichert werden. Also haben wir ein solches Tool entwickelt. Von der Idee bis zum ersten Einsatz vergingen nur wenige Monate“, lobt Colberg und fügt hinzu, dass auch dieses Tool an allen Standorten von REHAU Automotive eingesetzt wird und sich aufgrund seiner Einfachheit auf allen Ebenen großer Beliebtheit erfreut. Das System, das 55 KPIs überwacht und auf das rund 1.100 Anwender zugreifen, hat REHAU Automotive laut Colberg nur rund 500.000 Euro gekostet.


Sehen Sie sich den gesamten Vortrag von Michael Colberg auf der TAL 2024 an (Video auf Englisch) >>


Einfaches Tool mit großer Wirkung

Das dritte Beispiel für die Digitalisierung bei REHAU Automotive betrifft den Bereich Robot Process Automation (RPA), der eine Antwort auf die Forderung nach Prozessoptimierung und -automatisierung gibt. Auch hier bestand der Bedarf, sich von desintegrierten Systemen und manuellen Prozessen, die zeitaufwendig und letztlich auch teuer sind, zu verabschieden.

Als Beleg für die Funktionsfähigkeit der RPA wählte Colberg ein Projekt mit dem Namen „Bedarfskapazitäts-Management“ Process, an dem man mit dem Kunden Mercedes Benz zusammengearbeitet hat. Daran zeigte er eine Zeitersparnis von bis zu 80 % gegenüber früheren Methoden auf, denen zahlreiche manuelle Schritte zugrunde liegen. Bei den Eingabedaten handelt es sich um Informationen aus den Planungszentren sowie Informationen über den Status der in der Produktion benötigten Ressourcen. „Keiner gibt etwas manuell ein, alles wird automatisch aus den in den Systemen gespeicherten Daten generiert. Dieses Tool haben wir binnen vier Wochen in Betrieb genommen. Und das Beste daran ist, dass es den Mitarbeitern gefällt, weil sie sehen, dass sie sinnvolle Arbeit leisten, anstatt stumpfsinnig herumzutippen“, sagt Colberg.

Ein Koordinierungszwilling

Im letzten Teil ging es um die innerbetriebliche Logistik. Egal wie automatisiert, sie muss vor allem perfekt koordiniert sein. Nur dann ist eine hohe Effizienz gewährleistet. „Alles erfolgte in Sequenzen, die Lader wurden nicht durch kollektive Intelligenz gesteuert. Wir wollten also sehen, ob es eine realisierbare Möglichkeit gibt, die Koordination effizient zu bewältigen – unserer Meinung nach ein Thema für die künstliche Intelligenz. So entstand das Tool Twin“, präsentierte Colberg ein Tool, dessen Name die Abkürzung aus Transport, Warehouse & Integrated Network ist. „Wir wollten sehen, was wir noch aus Teilsystemen wie SAP, MES, Wareneingang, Produktionsmanagement usw. herausholen können, um ein möglichst effizientes Transportbedarfsmanagement zu schaffen, das Bedarf und Kapazität bestmöglich berücksichtigt“, sagt Colberg. Weiter führte er aus, dass das Projekt noch nicht abgeschlossen ist und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Bereichen und Partnern von REHAU Automotive entsteht.

Unterstützung für die Entwickler

Als weiteres Beispiel für den Einsatz von künstlicher Intelligenz nannte Colberg ein Tool namens Engineering Cockpit. „Dieses Tool dient der Analyse von Teilen. Es erstellt ein standardisiertes Reporting, Leitlinien für die Konstrukteure und gibt ihnen Tipps, wie sich eine Lösung bei einem weiteren Kunden wiederverwenden lässt. Also eine neue Sicht auf die Arbeit der Konstrukteure,“ erklärt Colberg.

Wie der Chief Operations Officer von REHAU Automotive betont, hat das Unternehmen keine einheitliche Digitalisierungsstrategie. „Wir haben ein Gremium aus Freiwilligen aus dem ganzen Unternehmen gebildet, Leute, die etwas verändern wollen und schnell Entscheidungen treffen können. Wichtig sind der Wille und die Unterstützung. Wir sagen lieber: Lasst es uns machen, lasst es uns ausprobieren: Ja, aber... Deshalb haben wir mit kleinen, einfachen Dingen angefangen und sind zufrieden. Außerdem schafft es eine positive Atmosphäre“, schloss Colberg seinen Vortrag auf der TAL 2024.


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Michael Colberg 

Vor seinem Wechsel zu REHAU Automotive war der Diplom-Ingenieur für Maschinenbau Produktionsleiter im Ford-Werk Köln, Direktor und Werkleiter bei Daimler Düsseldorf, Fertigungsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung bei Airbus sowie in leitenden Positionen bei HELLA Lighting und Conmoto.


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