Die Digitalisierung und ihre menschliche Dimension
- Trends
- Artikel
Die digitale Transformation ist eine aktuelle Herausforderung für zahlreiche Unternehmen in unterschiedlichen Branchen. Wie Michal Fichtner, Head of Digitalization Operations bei Continental Automotive, auf der Konferenz Trends in Automotive Logistics (TAL 2024) betonte, muss der Prozess genau verstanden und vor allem von den Menschen im Unternehmen angenommen werden.
Jegliche Digitalisierungsmaßnahmen im Unternehmen bedeuten eine wesentliche Veränderung. Sie haben Auswirkung auf die Logik des Unternehmens, die Prozesse und die Arbeitstätigkeit der Mitarbeiter. Daher ist es wichtig, sich auf die Einstellung der Mitarbeiter und ihr Mindset zu konzentrieren, nicht nur bei Führungskräften, sondern allen, die von der Umsetzung betroffen sind. Fichtner weist darauf hin, dass die Menschen in der Regel durch Angst vor dem Unbekannten und fehlende Bereitschaft, ausgetretene Pfade zu verlassen, von der Einführung neuer Tools abgehalten werden. „Ich bin seit zwanzig Jahren dabei, und es läuft. Warum also etwas ändern?“, paraphrasiert Fichtner die typische Reaktion auf eine Digitalisierungsinitiative. Befürchtungen, gepaart mit Bequemlichkeit, sind seines Erachtens die größten Feinde des Fortschritts. Aber ohne Innovationen, auch wenn sie wie Schritte ins Unbekannte erscheinen, treten wir auf der Stelle.
Digitisierung ist nicht gleich Digitalisierung
Der Ersatz eines Teilinstruments durch ein anderes oder der Umstieg von Papier auf iPads ist lediglich Digitisierung, so Fichtner. Umgekehrt sind Bestandteil der Digitalisierung zwingend die Überarbeitung bzw. Optimierung von Prozessen. Das Ziel bestünde dann in der digitalen Transformation, bei der die Tools zu einer Lösung gebündelt werden, das Unternehmen wirklich digital ist und alle Daten unternehmensweit arbeiten. Wie Fichtner betont, geht das nur, wenn die Menschen die Veränderungen im Unternehmen leben, sich ihrer Vorteile bewusst sind und die Digitalisierung begrüßen. Er erwähnt die Notwendigkeit von „positiven Botschaftern“, die Informationen über die Auswirkungen der Digitalisierung verbreiten helfen, dabei aber nicht Teil der Unternehmensleitung sind.
Start-up im Unternehmen
Fichtner vergleicht den Prozess der digitalen Transformation bei Continental mit der Gründung eines Start-ups innerhalb des Unternehmens. Zunächst entstand eine kleinere Gruppe, welche die Mitarbeiter aufforderte, Anforderungen an ihre Arbeit zu definieren. „Wir haben gefragt, was sie beschäftigt, mit der Maßgabe, dass wir Hilfe bei der Lösung anbieten. Wir vergewisserten uns, dass es sich um objektive Probleme handelt, und damit bezogen wir sie in unser Entwicklungsprogramm ein. Mit unserer Hilfe haben sie die Lösung dann selbst entwickelt“, beschreibt Fichtner. Der Vorteil dieser Verfahrensweise besteht darin, dass die Mitarbeiter eine so entstandene Lösung selbst nutzen wollen und nicht ein Tool von oben aufgedrückt bekommen.
Das gesamte für die Digitalisierung des Continental-Werks in Brandýs verantwortliche Team bestand aus internen Mitarbeitern: „Nur drei waren IT-Leute, ansonsten hatten wir Vertreter aus der Qualität, aus dem Industrial Engineering und der Produktion“, sagt Fichtner.
Job-Dieb
Fichtner ist kein Verfechter des Gedankens, dass Digitalisierung Arbeitsplätze vernichtet. Aber ohne ein gewisses Maß an Aktivität der Mitarbeiter geht es nicht. „Mit Menschen kann man arbeiten, sie weiterbilden. Es gibt nichts Besseres als einen fest angestellten Mitarbeiter, der jahrelang bei einem arbeitet, weil er dann den größten Mehrwert bringt“, meint Fichtner. Ein Vorteil wird in Zukunft nicht nur das digitalisierte Unternehmen sein, weil die Digitalisierung dann allgegenwärtig ist, sondern geschultes Personal. „Was Sie auszeichnet, werden die Menschen sein, welche die Digitalisierung mit Ihnen durchlaufen und sich um die digitale Fabrik kümmern, das werden Ihre 'Roboter-Doktoren' sein“, ermuntert Fichtner. Er erwähnt, dass Continental durch thematische Veranstaltungen an Grundschulen auch bereits an den künftigen Kompetenzen der heutigen Schüler arbeitet.
Daten sind Gold wert
Jede Digitalisierung oder digitale Transformation basiert auf Daten. Laut Fichtner hängt der Wert der Daten von ihrer Glaubwürdigkeit ab. „Damit Daten vertrauenswürdig sind, muss ihre Erfassung korrekt aufgebaut sein. Wenn das nicht der Fall ist und man die Daten nicht versteht oder ihnen nicht vertraut, kann man die Ergebnisse vergessen“, warnt er. Daher müssen Daten einen Eigentümer haben, es muss ein klares Erhebungsverfahren geben, wobei manuelle Eingaben auf ein Minimum beschränkt werden sollten: „Es ist gut, wenn sie eine gewisse Granularität haben, damit sie sich gut verarbeiten lassen, und sie müssen mit geeigneten Tools behandelt werden“, fügt Fichtner hinzu.
Springen Sie auf den Digitalisierungszug auf, solange es noch geht.
Michal Fichtner, Head of Digitalization Operations IE UX, Continental Automotive
Solange all dies nicht geklärt ist, verfügt das Unternehmen zwar über Daten, aber in einer nicht extrahierten, ungenutzten Form, ähnlich wie Gold, das unter der Erde liegt. „Ich kenne Fälle von Unternehmen, die Reporting oder andere Anwendungen einführten, die keiner nutzt oder denen keiner vertraut. Das ist schlecht“, sagt Fichtner. Das ideale Szenario sei die Verknüpfung der einzelnen Datensysteme mit einem Integrationstool, das alle KPIs auf einer Bildschirmseite abbildet.
„Springen Sie auf den Digitalisierungszug auf, solange es noch geht. Aber so, dass es Sinn macht. Wer mit Digitalisierung anfängt, nur um dabei zu sein, einzelne Teile des Systems nicht so verbindet, damit es im gesamten Unternehmen funktioniert, wird auch das Potenzial nicht ausschöpfen“, schloss er seinen Vortrag auf der TAL 2024.
Michal Fichtner
Der Absolvent der Hochschule für Wirtschaftsinformatik und Wirtschaft begann seine berufliche Laufbahn beim Automobilzulieferer in Brandýs 2003, als das Werk noch zu Siemens VDO Automotive gehörte. Nach der Übernahme durch Continental 2007 stieg er schrittweise von der Fach- zur Führungsebene auf. Er war verantwortlich für technische Dienstleistungen und das MES. 2020 wurde ihm die gesamte Digitalisierung im Rahmen des Programms Digital Factory übertragen, seit April letztes Jahres ist er Head of Digitalization Operations IE UX.
Continental Automotive
Continental Automotive Czech Republic s.r.o. (Brandýs nad Labem) ist neues Mitglied des Global Lighthouse Network des World Economic Forum. Das Netzwerk vereint führende Unternehmen im Bereich digitaler Technologien und Innovationen. Das Continental-Werk in Brandýs nad Labem ist das erste eigenständige Werk in der Tschechischen Republik und der erste Continental-Standort, der diesem renommierten Netzwerk beitritt. Continental erhielt die Auszeichnung aufgrund der schnellen Einführung von Innovationen in der Produktion und der raschen Übernahme von Industrie 4.0-Technologien.
Artikel teilen
Top News aus Logistik, IT und Produktion
Melden Sie sich für das Aimtec Insights an!
Mit Anmeldung zum Newsletter erkläre ich meine Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten.
Erhalten Sie regelmäßig aktuelle News aus Logistik, Produktion
und IT per E-Mail!
Für das Aimtec Insights anmelden
Mit Anmeldung zum Newsletter erkläre ich meine Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten.